: „Öko für die Armen“
Ex-Außenminister Fander Falconí hofft, dass das „Dschungel-statt-Öl“-Projekt jetzt starten kann
taz: Herr Falconí, als Außenminister haben Sie engagiert für die Yasuní-ITT-Initiative geworben. Wie war die Resonanz?
Fander Falconí: Immer größer. Es ist ja ein revolutionärer Vorschlag. Ecuador würde ein großes wirtschaftliches Opfer zugunsten der indigenen Völker und der unvergleichlichen Artenvielfalt im Yasuní-Nationalpark bringen und den Ausstoß von 410 Millionen Tonnen CO2-Emissionen verhindern. Der Vorschlag wird von mehreren multilateralen Foren unterstützt, unter anderem von den blockfreien Staaten. Auch in Europa ist er mit großer Hoffnung aufgenommen worden, der deutsche Bundestag hat ihn einstimmig unterstützt. Selbst der Economist, der ihn zunächst skeptisch betrachtet hatte, hob zuletzt das Brillante, Neuartige hervor.
Warum haben sich die Verhandlungen über die Ausgestaltung des Fonds mit dem UN-Entwicklungsprogramm so lange hingezogen?
Yasuní-ITT ist ein neuartiger und komplexer Vorschlag. Es gibt nichts Vergleichbares, man kann also nichts kopieren. 2009 wurde viel an der technischen Seite gefeilt. Jetzt wären alle Voraussetzungen erfüllt, damit eingezahlt werden könnte.
Umweltgruppen wenden sich gegen die Logik des Emissionshandels, also dagegen, dass sich Firmen durch den Erwerb von CO 2 -Zertifikaten von ihrer Verpflichtung zur Reduzierung freikaufen können. Teile des Verhandlungsteams hatten damit keine Probleme. Und Sie?
Das ist ein Interessen- und Wertekonflikt. Ich bin für Wertepluralismus. Uns schwebte ein breites Spektrum von Möglichkeiten vor, um Gelder einzuwerben, auch solche von den Kohlenstoffmärkten.
Anfang des Jahres sprach Präsident Correa plötzlich von „Verhandlungen unter beschämenden Bedingungen“ und sagte: „Wir sind es satt, uns wie eine Kolonie behandeln zu lassen“. Warum?
Das müssten Sie ihn fragen, deshalb bin ich ja zurückgetreten.
Also gab es keinen Druck auf Ecuador?
Man hat ja nichts unterschrieben, es wurde immer nachgebessert. Die Verhandlungen wurden auf unserer Seite von hoch qualifizierten Leuten mit großer internationaler Erfahrung geführt. Dass das „beschämend“ sein sollte, konnte ich nicht akzeptieren.
Letztes Jahr hat man Ihnen in Berlin 650 Millionen Euro in Aussicht gestellt. War dafür nicht die Einrichtung des Treuhandfonds Bedingung?
Nein, das war keine Forderung der Deutschen. Es ist aber ein legitimes Anliegen, dass es ein solides Instrument geben muss, das möglichen Beiträgern Sicherheit gibt. Wir haben immer klargemacht, dass dabei die Souveränität des Landes gewahrt bleiben muss, denn Ecuador bringt ja den größten Beitrag auf, mindestens die Hälfte der möglichen Einnahmen aus einer Förderung von 850 Millionen Barrel Öl.
Was bedeuten die Erklärungen des Präsidenten und die Rücktritte auch des kompletten Verhandlungsteams für die Zukunft der Yasuní-ITT-Initiative?
Sie ist richtig durchgeschüttelt worden. Ich hoffe, unter dem Strich ist es ein Schritt nach vorne, und die Regierung wird zu einem größeren Engagement gedrängt. Es gibt ja keine unüberwindbaren Differenzen, und ich hoffe, mit dem neuen Team wird der Fonds so bald wie möglich eingerichtet.
Doch die möglichen Geber sind beunruhigt …
Die internationale Unterstützung bleibt unverzichtbar. Im nördlichen Teil des ecuadorianischen Amazonasgebiets haben seit den Siebzigerjahren für die Menschen und die Umwelt regelrechte Katastrophen stattgefunden. Auch wenn ich deshalb schon lange für ein Ölfördermoratorium im Zentrum und im Süden eintrete, ist das keine persönliche Frage, sondern eine eminent politische. Es geht um den Kern der Bürgerrevolution.
Sehen Sie noch eine Chance, die in der Verfassung vorgesehene ökosoziale Wende mit Correa durchzusetzen?
Genau das ist jetzt die Frage. Eine moderne Linke muss sich auf eine Ökologie für die Armen stützen. Eine intakte Umwelt darf kein Luxus für Reiche sein, sie ist ein Bedürfnis für die Armen. Jedes Projekt des Wandels muss von der Umwelt ausgehen, besonders in einem megadiversen Land wie Ecuador.
INTERVIEW: GERHARD DILGER