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Öko-Selbstregulierung

These 1: Zusätzliche Einnahmen aus Öko-Steuern und Abgaben an anderer Stelle zurückgeben  ■ Von Wolfgang Helm

Die Preise müssen die ökologische Wahrheit sagen. Das sagen Bündnis 90/Die Grünen, das sagt aber inzwischen auch Bundesumweltminister Töpfer. Einigkeit besteht also, daß marktwirtschaftliche Instrumente das bisherige Ordnungsrecht ergänzen sollen, um umweltgerechtes Verhalten zu fördern. Ziel ist eine ökologische und soziale Wirtschaft. Herzstück entsprechender Vorschläge ist dabei die Einleitung einer ökologischen Steuerreform bzw. die Einführung von Umweltsonderabgaben.

Die Liste der Einzelvorschläge für die Ausgestaltung einer ökologischen Steuerreform bzw. über ein entsprechendes Abgabensystem ist allerdings kaum noch zu überschauen. Viele dieser Vorschläge sind mehr oder weniger unausgegoren:

– Welche (Schad-)Stoffe sollen finanziell belastet werden? Die einen wollen diesen Schadstoff einzeln belasten, die anderen jenen. Auch die geplanten Belastungen scheinen willkürlich gewählt. Da fordern die einen eine Verpackungsabgabe von 70 Pfennig pro Stück, andere differenzieren nach Art und Gewicht.

– Was soll mit dem eingenommenen Geld passieren? Die Vertreter des detaillistischen Abgabenmodells wollen das Aufkommen vollständig für ökologische Maßnahmen einsetzen. Sie setzen auf die direkte Lenkungswirkung. Doch angesichts der erheblichen Mittel, die so zusätzlich verteilt werden müssen, steht zu befürchten, daß ein bürokratischer Wasserkopf entsteht, der umweltpolitisch ineffektiv ist. Außerdem wird ein endloser Streit darüber entbrennen, wer mit welcher Priorität welche Mittel bekommt.

Statt Beliebigkeit und Perfektionismus brauchen wir intelligente Lösungen, Kreativität und Flexibilität. Selbstregulierende Systeme dienen dem ökologischen Umbau mehr, als weiterhin alle Signale und Weichen per Hand zu stellen. Dies gilt um so mehr angesichts der wirtschaftlichen Krise. Forderungen nach zusätzlichen Steuern oder Abgaben – auch wenn sie dem besten Zwecke dienen – sind politisch derzeit kaum vermittelbar. Vor allem wenn man die wirtschaftliche und soziale Situation in Ostdeutschland betrachtet.

Im Mittelpunkt der Diskussion sollten daher nicht neue, zusätzliche Belastungen stehen, sondern weit mehr als bisher ein Reform- bzw. Umbaukonzept des fiskalischen Systems. Und wir brauchen dafür Transparenz. Das gilt vor allem für die Auswahl der zu besteuernden „Leitparameter“. Die Erhebung von Abgaben auf alles und jedes mag auf den ersten Blick umweltpolitisch einen Sinn machen. Zur Nachvollziehbarkeit trägt das aber nicht bei.

Um die Auswahl von „Leitparametern“ zu erleichtern, sollten wir uns vor Augen führen, daß jeder Produktionsprozeß, jede menschliche Tätigkeit bzw. jeder Umwandlungsprozeß den Input von Stoffen und Energie erfordern. Am Ende eines jeden solchen Prozesses haben wir als Output verändernde Auswirkungen auf Luft, Wasser und in Form fester Abfälle.

Auf der Input-Seite ist die Anzahl der belastbaren Stoffe annähernd unendlich, eine begründete Auswahl kompliziert. Demgegenüber ist der Parameter Energie relativ einfach zu erfassen. Der Ansatzpunkt ist die Primärenergieerzeugung bzw. beim Kleinkraftwerk Automobil der Mineralölverbrauch. Beim Output könnten feste Abfälle mit einer Abgabe belegt werden, während Emissionen Richtung Wasser und Luft weiter mit technischen Regelungen begrenzt werden.

Als nächstes stellt sich die Frage, an welcher Stelle des fiskalischen Systems Entlastungen geschaffen werden sollten. Es spricht vieles für eine Senkung der Lohnnebenkosten, insbesondere bei der Arbeitslosenversicherung. Seit der deutschen Vereinigung plündert die Bundesregierung die Sozialkassen für die notwendige Finanzierung der deutschen Einheit. Diese Vereinigungskosten könnten künftig aus der ökologischen Steuerreform finanziert werden, die Sozialkassen sich wieder ihrem eigentlichen Zweck widmen und die Lohnnebenkosten entsprechend gesenkt werden.

Daraus ergeben sich folgende Vorschläge für den Einstieg in eine ökologische Steuerreform:

– Die Einführung einer grundsätzlich aufkommensneutralen Primärenergiesteuer auf fossile Brennstoffe und die Atomkraft. Diese könnte in einem ersten Schritt 2,50 DM pro Gigajoule betragen und stufenweise angehoben werden. Das entspricht knapp 10 Pfennig pro Liter Heizöl. Das Aufkommen geht in den Bundeshaushalt. Gleichzeitig sollen die Beitragssätze der Bundesanstalt für Arbeit spürbar gesenkt werden sowie Ausgleiche für Leistungsempfänger (Rentner, Studenten, Sozialhilfeempfänger...) geschaffen werden.

Durch die Primärenergiesteuer, insbesondere die angekündigte stufenweise Erhöhung, werden regenerative Energien konkurrenzfähiger, der Anreiz, Energie effizienter zu nutzen, wächst, und durch die Entlastung der Kosten menschlicher Arbeitskraft sinkt der Rationalisierungsdruck. Damit schlagen wir drei Fliegen mit einer Klappe. Wir nutzen der Umwelt, wir erzielen positive Arbeitsmarkteffekte, und wir fördern die ökologische Innovationskraft der Wirtschaft.

– Zusammen mit einer deutlichen Erhöhung der Mineralölsteuer soll sich der Benzinpreis um zunächst 50 Pfennig/Liter erhöhen. Kalkulierbare weitere Erhöhungen müßten in den kommenden Jahren folgen. Ein Teil dieses Aufkommens wird zweckgebunden für den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) sowie für Vorhaben zur Verkehrsvermeidung und -verringerung eingesetzt. Für einen Übergangszeitraum sollen ein Teil der Einnahmen gegen soziale Härten, insbesondere in Regionen mit ungenügendem öffentlichen Nahverkehr, eingesetzt werden.

Durch die Mineralölsteuererhöhung leisten wir einen wesentlichen Beitrag zum Umsteuern in der Verkehrspolitik, durch den sozialen Härteausgleich vermeiden wir Strukturbrüche. Vierzig Jahre falsche Verkehrspolitik können nicht mit einem Federstrich weggewischt werden. Und wir haben auch hier einen positiven wirtschaftlichen Effekt, weil die Automobilindustrie gedrängt wird, neue Betätigungsfelder zu suchen.

– Die bundesweite Einführung einer Abfallabgabe, deren Aufkommen den Bundesländern zustehen soll. Die Mittel sollen vor allem der Abfallvermeidung dienen, ein Teil soll für einen Übergangszeitraum für die Altlastensanierung vor allem in den neuen Bundesländern eingesetzt werden. Die Abfallabgabe wirkt ebenfalls in Richtung von Produktions- und Produktinnovation, und sie dient der Verringerung der Müllberge. Zusätzliche Verpackungsabgaben können wir uns sparen.

Eine solche Herangehensweise überlastet weder Wirtschaft noch VerbraucherInnen. Und sie ist ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit, weil die Senkung der Beitragssätze der Bundesanstalt für Arbeit verbunden wird mit einer Entbindung der Arbeitslosenversicherung von versicherungsfremden Aufgaben.

Die kalkulierbare und stufenweise Erhöhung vermeidet Struktureinbrüche in unserer Volkswirtschaft. Die Innovationskraft von Unternehmen, VerbraucherInnen und Behörden wird nachhaltig zugunsten einer ökologischen Wirtschaftsweise kanalisiert. Wirtschaft und Beschäftigung erhalten so wieder Zukunftsperspektiven. Klarheit, Überschaubarkeit, Effizienz und Berechenbarkeit werden so zu Leitprinzipien künftiger Umwelt- und Wirtschaftspolitik.

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