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„Öko-Gegenreformation“

■ Fücks berichtet von der Konferenz der UmweltministerInnen

Bremens Umweltsenator Ralf Fücks (Bündnis 90/Grüne) ist mit den Ergebnissen der 41.Umweltministerkonferenz (UMK) in Saarbrücken nicht zufrieden. Denn neben einer unverbindlichen Erklärung der Umweltminister und der Umweltverbände zum Thema „Umweltpolitik und Wirtschaftsstandort Deutschland“ gab es nur in wenigen Punkten der Tagesordnung positive Ansätze, berichtete Fücks gestern nach seiner Rücckehr. „Zwei Jahre nach dem Klimagipfel von Rio, der die globale Umweltpolitik in den Vordergrund rückte, hat es in Deutschland durch die wirtschaftliche Rezession einen Klimawechsel in der Umweltdebatte gegeben. Bundesregierung und Arbeitgeber fordern eine Auszeit für die Umweltpolitik, wir sehen uns einer ökologischen Gegenreformation gegenüber. Es ist nicht nur schwierig, neue Standards durchzusetzten, sondern auch, die erreichten umweltpolitischen Ziele zu verteidigen.“

Auch die UmweltpolitikerInnen selber sieht Fücks in der Gefahr, bei der Diskussion um Arbeitsplätze die „Schere im Kopf“ anzusetzen. Gerade in der Krise sei es wichtig, verstärkt für den ökologischen Umbau der Industriegesellschaft zu arbeiten und die Ökologie als ökonomische Zukunftsstrategie zu begreifen. Eine ökologische Steuerreform müsse den Energieverbrauch teuer und die Arbeit billiger machen und so die Unternehmen dazu bringen, aus Eigeninteresse in die Umwelt zu investieren. Umweltschutz und Arbeitsplätze dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden, heißt es in dem gemeinsamen Papier der Minister und Umweltschützer. „Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und gegen die ökologische Krise muß gleichzeitig geführt werden“, sagt Fücks.

In dem Papier fordern die UmweltpolitikerInnen die Einführung einer Energiesteuer, die Erhöhung der Benzinsteuer, mehr Förderung für regenerative Energie sowie eine umweltgerechtere Gestaltung des Verkehrs. Ökologisch schädliche Projekte dagegen sollen weniger subventioniert werden, fordert die Erklärung: „Allein die Subvention von Flugbenzin macht 2,4 Milliarden aus – soviel gibt der Bund im Jahr für Umweltschutz aus“, sagte Fücks.

Die Realität, berichtete der Umweltsenator aus Saarbrücken, sieht anders aus: Der Bundesverkehrswegeplan setze „falsche Signale“, beim Verkehr gebe es „am allerwenigsten eine Kurskorrektur, sondern eine dramatische Zunahme der Belastungen“. Beim Thema DSD wolle die Bundesregierung für Plastikverpackungen neben der stofflichen auch die „energetische“ Verwertung durchsetzen: „Das ist der Einstieg in die Verbrennung“, meinte der Umweltsenator. Sinnvoll sei es aber, daß Verpackungen, die nicht sinnvoll recycelt werden könnten, aus dem Dualen System herauszunehmen, deren Entsorgung über eine höhere Verpackungsabgabe zu regeln und sie so schrittweise vom Markt zu nehmen. Die Diskussion über ein bundesweites PVC-Verbot schließlich, das Bremen auf der Konferenz angeregt hatte, war bis Frühjahr vertagt worden. (taz von gestern)

Beim Thema Dioxin mußte sich Fücks vor allem mit den Vertretern aus Nordrhein-Westfalen auseinendersetzen. Während der Bremer Senator mit der geringeren Umweltbelastung durch Klöckner im Rükken für eine Senkung der Dioxin- Grenzwerte bei Stahlwerken auf das Niveau von Müllverbrennungsanlagen plädierte (“Dioxin aus MVA kann nicht schädlicher sein als aus der Industrie“), spielten die PolitikerInnen von Rhein und Ruhr die „Bremser“, weil aus ihren Kraftwerken zigmal mehr Dioxin entweicht. In einem Jahr soll die UMK jedenfalls verbindliche Grenzwerte für die Dioxinemissionen von Stahlwerken diskutieren.

Die Fronten in der UMK verlaufen nach Fücks' Angaben nicht so sehr nach Parteilinien als vielmehr nach wirtschaftlichen Interessen der einzelnen Länder. So spielten zwar die rot-grünen und Ampelländer eine „Vorreiterrolle“ beim Umweltschutz, aber Bundesländer mit großen Koalitionen wie Baden- Württemberg oder Berlin seien Bremen näher als das SPD-regierte NRW oder die neuen Länder.

Bernhard Pötter

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