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Öffentlich onaniert

■ Vor Gericht: 29Jähriger Mann wegen fünffacher Exhibition angeklagt

Seit gestern muß sich vor dem Bremer Landgericht ein 29Jähriger wegen fünffacher Exhibition verantworten. Dem Mann wird zur Last gelegt, im Frühjahr 1992 dreimal am Treppenaufgang Kleine Waagestraße zur Obernstraße Frauen belästigt zu haben. Außerdem soll er im Sommer 1993 in dem schmalen Sträßchen Glockengang eine Frau zweimal belästigt haben: Er habe sein Glied in der Hand gehalten und die Passantin mehrmals aufgefordert, es anzufassen, so die Anklageschrift.

Zwei der belästigten Frauen erstatteten Anzeige. Nach dem Strafgesetzbuch ist ein Mann strafbar, der eine andere Person durch Selbstentblößung aus sexuellen Motiven belästigt. Weil der Angeklagte seit mehreren Jahren wegen solcher und ähnlicher Delikte im Gefängnis sitzt – die jüngsten Delikte beging er als Berufsfreigänger – kam der Fall nicht vor das Amts-, sondern vor das Landgericht.

„Die Frau hat mich vom Typ her angesprochen, groß, schlank, lange Haare. Die Haarfarbe ist egal“, sagte der Angeklagte gestern aus. „Ich hab' mich auf diese Art und Weise abreagiert“, begründet er. Als er zum Beispiel Streß auf der Arbeit hatte. „Waren Sie erregt?“, fragt der Richter. „Ja“, sagt der Angeklagte und schaut peinlich berührt vor sich. „Haben Sie eine Erektion gehabt?“ – „Eine was?“ – „Eine Erektion.“ – „Ja“.

Obwohl der Angeklagte aussagt über den Hergang der Taten, will der Richter die Zeuginnen sehen. Die erste, eine 43jährige, ist zwar gekommen, möchte aber nicht dem Angeklagten begegnen. Sie hat Angst. Der Richter sagt ihr auf dem Flur, sie habe nichts von dem Angeklagten zu befürchen, sie solle ihn aus dem Blickfeld lassen. Der Richter fragt sehr genau nach möglichen Auswirkungen der Tat auf die Opfer – Angst, durch dieselbe Straße zu gehen? Schlaflosigkeit, Träume? Nein, die Zeugin denkt nur noch gelegentlich daran. Der Kriminalbeamte, der den Fall bearbeitet hat, gibt allerdings zu Protokoll: „Ich habe das Gefühl gehabt, daß Frau X sehr verletzt war.“

Die zweite Zeugin, eine 26jährige Studentin, reagierte vor allem mit Wut. „Faß doch mal an, faß doch mal an“, soll der Angeklagte in dem engen Durchgang gesagt haben, wieder und wieder. „Ich wurde unheimlich wütend und brüllte ihn an.“ Als sie dem Mann ein weiteres Mal begegnete – sie wohnte damals in der City – wurde ihr aber doch „mulmig“. Sie rannte weg, traf zufällig zwei Polizisten. Die stellten den Mann, als er sich gerade die Hose wieder zuknöpfte. Einer der Beamten soll die Zeugin noch aufgefordert haben, mit dem Mann zu reden. Das wollte sie nicht, doch der Angeklagte erzählte ihr bereits stotternd, daß er nur sein Geschäft habe verrichten wollen, nicht sie belästigen. „Aber eine Spur habe ich nicht gesehen“, sagt die Zeugin.

Nach der Beweisaufnahme berichtete der Angeklagte gestern über seinen Lebenslauf und seine psychischen Probleme. Hiervon war die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Heute werden Gutachter angehört. Der Strafrahmen bei Exhibition, so der Staatsanwalt, reiche von der Geldstrafe bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Beim ersten Vergehen könne man das Verfahren aber auch mit einer Verwarnung und Strafvorbehalt beenden. Dieses Mittel steht für den 29jährigen schon lang nicht mehr zur Debatte. In diesem Prozeß wird es vielmehr auch darum gehen, ob der Mann künftig in der forensischen Psychiatrie, der Psychiatrie für Straftäter also, im Krankenhaus Ost untergebracht werden soll. Zwar macht er auch jetzt schon eine Therapie, dort gibt es aber offenbar mehr Möglichkeiten. cis

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