Öffentlich-Rechtliche: Auf das Ticket kommt es an
Der NDR-Verwaltungsrat schlägt den WDR-Mann Lutz Marmor als neuen Intendanten vor. Damit vereitelt das Gremium lang gehegte Pläne der Niedersachsen-CDU.
Als die taz vor zwei Jahren berichtete, der niedersächsische Ministerpräsident Christan Wulff (CDU) würde dem NDR eine neue Führungsspitze um den heutigen NDR-Programmdirektor Volker Herres und den Hannoveraner Landesfunkhausdirektor Arno Beyer verordnen, wurde uns diese Darstellung auf Antrag des NDR gerichtlich untersagt. Am Sonntag untersagte nun der NDR-Verwaltungsrat eine neue Anstaltsspitze Herres/Beyer: Das Gremium, dem das Vorschlagsrecht für die am Freitag geplante Intendantenwahl zukommt, nominierte statt Herres (47) WDR-Verwaltungsdirektor Lutz Marmor (53) als künftigen Intendanten der Nordanstalt.
Arno Beyer (52), der nach der politischen Farbenlehre der Medienpolitik auf Unions-Ticket reist, empfahl der Verwaltungsrat zwar wie erwartet für den Posten des stellvertretenden Intendanten. Doch damit sind die - natürlich offiziell nie vorhandenen - Wulff-Pläne endgültig durchkreuzt: Denn der Stellvertreter-Posten ist eher repäsentativer Natur. Die Rochade hätte nur dann Sinn gemacht, wenn Herres Intendant geworden wäre - und Beyer ihn als Programmchef beerbt hätte. Doch so bleibt Beyer wohl in Hannover. Ein schwacher Trost für Niedersachsens Landesvater, der sich sonst ja gern über die sträfliche Ignoranz beschwert, mit der die Medien seiner Landeshauptstadt begegnen.
Amtsinhaber Jobst Plog tritt zum 15. Januar 2008 ab, sein Stellvertreter Joachim Lampe, steht aus gesundheitlichen Gründen nicht weiter zur Verfügung. Auch wenn noch nicht ganz klar ist, wie der 58-köpfige Rundfunkrat am Freitag - passenderweise einem 13. - votiert, sind in Sachen Intendant damit vollendete Tatsachen geschaffen. Denn der Rundfunkrat kann zwar theoretisch gegen die Wahlempfehlung des Verwaltungsrats stimmen - aber laut NDR-Staatsvertrag für den Posten des Intendanten keinen eigenen Vorschlag machen.
Wie stark der politische Druck hinter den Kulissen beim NDR derzeit ist, zeigte schon am vergangenen Freitag eine in ihrer Deutlichkeit ziemlich einmalige öffentliche Rüge von Noch-Intendant Jobst Plog in Richtung Politik: "Es ist nicht Sache der Ministerpräsidenten, meinen Nachfolger zu finden", polterte Plog: "Insofern bin ich verblüfft, dass die Politik bis heute nicht dementiert hat, sie habe sich auf einen Kandidaten verständigt."
Als Vier-Länder-Anstalt für Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern hat es der NDR momentan mit drei CDU-Ministerpräsidenten - neben Wulff Peter-Harry Carstensen (Kiel) und Ole von Beust (Hamburg) zu tun. Vor allem Wulff geht es seit Jahren darum, seinen Einfluss in der ARD weiter auszubauen. Auch wenn der Veraltungsrat sich nun gegen allzu offene politische Instrumentalisierung immun gezeigt hat: Glücklich war die Nachfolger-Suche für den seit 1991 amtierenden Jobst Plog wirklich nicht. Daran hat auch Plog selbst einen nicht eben kleinen Anteil - zwar galt Herres als sein Kronprinz, doch dürfte ihm diese "Nominierung" genau wie all den anderen immer mal wieder genannten Kandidaten zuletzt eher geschadet haben. So wurde mehr als ein Dutzend Namen durchs NDR-Dorf getreiben - mit abschreckender Wirkung. Bei einer Mitarbiterversammlung Mitte Juni hatte Plog selbst herbe Kritik am Procedere geäußert.
Der Hauptkollateralschaden heißt nun Volker Herres. Der Programmdirektor wird - wiederum gemäß der absurden politischen Anstalts-Farbenlehre - als "Roter" verortet. Dass man ihn nun als gescheiterten Teil eines Tandems von Unions-Gnaden sehen könnte, wird ihm gar nicht schmecken.
Insider sagen sogar, das Team Herres/Beyer hätte vielelicht sogar viele Freunde im eigenen Haus und seinen Gremien gefunden - wenn es die CDU nicht übertrieben hätte. Nun hat sie beinahe alles verloren: Denn auch der Intendanten-Kandidat Lutz Marmor wohnt in der "roten" Schublade. Und kennt den NDR wie seine Westentasche - hier war er bis zum letzten Sommer schließlich lange Jahre Verwaltungsdirektor.
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