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ÖTV für StreikRisiko fürs Image

Streiks im öffentlichen Dienst sind eine gefährliche Sache. Für die Gewerkschaft. Denn mit einem Arbeitskampf riskiert sie genau das, was sie schützen will: ihr Image von Stärke, von Durchsetzungskraft. Streiks im öffentlichen Dienst können schief gehen. Und zwar dann, wenn am Ende das Ergebnis mager, die Gewerkschaftsmitglieder enttäuscht und die Bevölkerung genervt sind. Der Streik von 1992 war ein solcher Arbeitskampf: Am Ende waren die Gewerkschaftsmitglieder unzufrieden und ÖTV-Chefin Monika Wulf-Mathies angeschlagen.

Ob es diesmal anders laufen wird, ist offen. Einerseits will die Gewerkschaft ÖTV diesmal nur ein paar Zehntelprozentpunkte mehr, damit die 2 vor dem Komma steht. Andererseits aber dürfte sie weniger Rückhalt in der Bevölkerung haben als 1992.

KOMMENTAR von BARBARA DRIBBUSCH

Die ÖTV hat es schwer, denn bei Arbeitskämpfen im öffentlichen Dienst werden immer auch andere, verborgene Konflikte mitverhandelt: der Neid vieler Erwerbstätiger auf die Staatsbediensteten, die doch einen sicheren Job haben und deswegen nicht die gleichen Lohnerhöhungen verlangen dürfen. Der Ärger über hohe Personalkosten, die doch aus Steuergeldern und damit von allen bezahlt werden müssen. Jetzt kommt auch noch ein Ost-West-Konflikt dazu, weil die ostdeutschen Staatsbediensteten einen Stufenplan fordern für die 100-prozentige Tarifangleichung. Bei Tarifstreits im öffentlichen Dienst wird immer auch ein Stück Solidarität und Sozialstaat mit verhandelt.

Darf die ÖTV heutzutage noch für mehr Lohn streiken? Sie darf. Denn im öffentlichen Dienst sitzen keine Ärmelschoner, sondern Krankenschwestern, Erzieherinnen, BusfahrerInnen. Hier sind mehr Frauenjobs zu finden als in der Metallindustrie. Warum soll eine Krankenschwester nicht die gleiche prozentuale Lohnerhöhung bekommen wie ein Metallfacharbeiter?

Das Argument, höhere Personalkosten belasteten die Steuerzahler und vernichteten Arbeitsplätze, zieht nicht. Die Erfahrung zeigt, dass frei werdende Stellen im öffentlichen Dienst abgebaut wurden, ganz gleich, welche Lohnbescheidenheit die Gewerkschaften zeigten. Immer trifft der Lohnverzicht auch jene, die nicht viel verdienen.

Der Streik, wenn er denn kommt, ist daher eine Art unfreiwilliger Großversuch: Um welche materiellen Ziele darf man mit welchen Opfern heute noch kämpfen, mit welchen Zumutungen, so als Gewerkschafter? Die Frage ist offen. Man möchte nicht in der Haut von ÖTV-Chef Herbert Mai stecken.

brennpunkt SEITE 3

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