ÖSTERREICH: DER RECHTSPOPULIST HAIDER BLEIBT STARK : Den Trendforschern zum Trotz
Auf Österreichs ÖVP-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel kommen schwere Zeiten zu. Zwar ist er sicherlich erleichtert, dass Jörg Haider in Kärnten weiterhin den Landeshauptmann spielen darf, statt sich eine neue Aufgabe in der Wiener Bundespolitik suchen zu müssen. Doch diese Erleichterung hat einen sehr hohen Preis: Haiders Verbleib wurde mit schweren Verlusten der Kärntner ÖVP erkauft.
Haider wäre nicht Haider, würde er sich mit den Auftritten auf einer Regionalbühne zufrieden geben. Die Zähmung des Populisten, mit der Wolfgang Schüssel die Koalition mit den Rechtsauslegern nachträglich zu rechtfertigen suchte, ist gründlich misslungen. Haider, ein begnadeter Wahlkämpfer, hat in Kärnten den Absturz seiner FPÖ gebremst. Egal, ob damit eine Trendwende eingeleitet wurde oder ob das Wiedererstarken der Freiheitlichen ein regionales Phänomen bleibt: Der Mann, der von Medien und Trendforschern bereits abgeschrieben wurde, ist quicklebendig und voller Tatendrang.
Den wird vor allem sein Koalitionspartner in Wien zu spüren bekommen. Denn die blauen Kabinettsmitglieder, die bisher eher als Statisten in einer Inszenierung der ÖVP fungierten, werden wohl aus dem Souffleurkasten in Kärnten mit neuen Einflüsterungen versorgt werden. Jeder weitere Reformschritt, der die Klientel der FPÖ betrifft, wird auf empörten Widerstand stoßen – der für Haiders simple Parolen zugängliche „kleine Mann“ ist bereits vom kaltschnäuzigen Sozialabbau, steigender Arbeitslosigkeit und vor allem den äußerst unpopulären, bereits umgesetzten Pensionskürzungen betroffen.
Weil österreichweite Wahlen noch mehr als zwei Jahre entfernt sind, erhalten derzeit die ÖVP-Landesfürsten die Quittung für diese Politik. Dabei müssten sich die nächsten Reformschritte nun auch noch gegen das Milieu wenden, das Schüssel und die ÖVP trägt: Beamte, Bauern und Unternehmer. Schüssels Klemme bietet Haider eine Menge Chancen. Der nächste Koalitionskrach wird nicht lange auf sich warten lassen. RALF LEONHARD