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Ochsenfroschjadegrün

Die frauenbewegte Zeit ist vorbei, aber die Frucht ist geblieben: Der Berliner Frauenverlag Edition lit. europe und seine Publikationen  ■ Von Julia von Trotha

Edition lit. europe ist ein kühner Name für einen kleinen Verlag und eigentlich nicht viel mehr als die Metamorphose einer sauren Frucht. Von Adele Meyer 1981 als Zitronenpress-Verlag in Berlin gegründet, dann als Limone-Druckwerkstatt fortgeführt, trägt der Verlag seit seiner Neugründung Anfang des Jahres nur noch zwei Silben als Reminiszenz vergangener Tage im Namen. Auch die Akteurinnen des Zwei-Frauenverlages haben mit Jahren an Biß verloren – „Die Zeit mit Frauenbewegung, großen Demos, Walpurgisnacht und so ist vorbei, das sollen jetzt die Jüngeren machen.“

Neben der Kölner Werbewirtin Adele Meyer, die sich erst bei Emma, dann mit den beiden im Eigenverlag herausgegebenen Büchern „Lila Nächte“ und „Berliner Frauenstadtbuch“ im Büchermachen erprobte, verbirgt sich hinter Edition lit. europe noch Christine Müller. Als diplomierte Psychologin gehörte sie längere Zeit zum Redaktionsstab der Courage. Später arbeitete sie dann im Lektorat des Frauenverlags Orlanda, wo sie Adele Meyer traf.

Doch eigentlich beginnt die Geschichte des Verlages ganz woanders. Eigentlich beginnt sie erst in einer Berliner Kneipe letztes Jahr, als die beiden dort auf eine alte Kämpin treffen. Monica Streit kam gerade von einer halbjährigen Studienreise durch Japan zurück, hatte noch ein Manuskript in der Schublade liegen. Und die beiden wollten nach ihrem fünfzigsten Geburtstag auch nicht länger mit alten Plänen warten. So gründeten sie den Verlag fürs erste Buch.

„Vollmondhotel“ heißt Streits Erzählband. Es ist die Geschichte einer Reise durch Japan, die oft sehr sinnliche Begegnung zweier Frauen mit einer gleichermaßen traditionsreichen wie alltagsgeprägten Kultur. Streit erzählt eigenwillig und mokant. Sie verzögert und verharrt, meditiert über einem Blick, einem Bild oder einem Wort – um dann um so plötzlicher loszubrechen und mit quecksilbrigem Witz über jede Untiefe allzu ernster Reflexionen zu gleiten.

„Ochsenfroschgrün“ ist der Altarschmuck eines Zen-Klosters, „jadegrünblau“ das Meer, als sie aufwacht und „indigoblau“, nachdem sie geduscht hat. Als sie ihren Kaffee getrunken hat, „zählt sie im Smaragd die Schaumkronen“.

Monica Streit enthüllt behutsam. Die Dinge zeigen sich ihr, klar und vieldeutig wie die Sprache der Menschen, bei denen sie zu Gast gewesen ist. Sie enthüllt aber auch die vielen Blößen des Alltäglichen. So besuchen die Frauen ein Kloster, um dort an einer Zen-Meditation teilzunehmen.

Die eine wittert überall das Zölibatäre, als der Mönch sie gar nicht als Frau wahrnimmt. Ihre Begleiterin hingegen genießt die Zeremonie, sieht die rehbraunen Augen des Novizen, die weißrote Mickymaus-Unterhose unter seiner Kutte. Natürlich hat der Mönch eine Frau und sie ist schön, das Zölibatäre ist nichts mehr als eine willkommene Fiktion, wie sich die eine Frau später eingestehen muß.

„Vollmondhotel“ ist ein vergnügliches Buch. Nur ein-, zweimal sind Brüche im Text oder weicht ein esoterischer Feminismus die spöttisch gesponnene Erzählstruktur auf: dann ist die Glücksgöttin weiblich und der Mann ein Jäger und die Frau „eine Fremde wie eine Sirene“, oder gar „wie eine Naive, die nicht in menschenleerer Gegend mit einem Boxer in einen Wagen (steigt) und in der Abendsonne mit ihm um den See (fährt).“

Neben Monica Streit gehören sechs Neuerscheinungen und eine Wiederauflage der „Lila Nächte“, dem frivolen Buch über die Berliner Damenclubs der Zwanziger, zum Premierenprogramm der Edition lit. europe. Alle Autorinnen haben bereits veröffentlicht. Die bekannteste unter ihnen ist wohl die Malerin Sarah Haffner. Von ihr ist im Verlag ein aufwendig gestalteter Text- Bildband „Hinter der Wirklichkeit“ erschienen.

Die beiden Verlegerinnen wünschen sich Vielfalt im Programm – das „europe“ im Titel soll denn auch für „mehr als international“ stehen. Literatur, Biographie, Kunst, Kultur, Geschichte, Politik, zu all dem soll's was geben, auch wenn Cramon Daibers „Wilde Rede an Europa“ noch lange keine Politiksparte füllt und die Diversität erst einmal auf Kosten des eigenen Profils in einer bereits etablierten Verlagslandschaft zu gehen scheint.

Der Verlag hat seinen Sitz in der Monumentenstraße in Schöneberg behalten, wo seit Mitte der Achtziger die Limone-Druckwerkstatt residierte. Eingang und Tresen sieht man noch ihre alte Funktion an, ein Teil der Anlage im Hinterhaus wurde für die Umrüstung verkauft. Geblieben ist von der Auftragsdruckerei nur Blattgold, eine Zeitschrift aus den Anfängen der Berliner Frauenbewegung. Und doch fällt die Bilanz fürs erste Jahr nicht schlecht aus.

Die Möglichkeiten verlegerischer Selbständigkeit wiegen die finanziellen Unsicherheiten noch auf – und manchmal gelingen kleine spontane Aktionen wie auf der Frankfurter Buchmesse, wenn man nach der „Hofierung der CD- Rom“ in zwei Nächten Arbeit ein „Plädoyer fürs Buch“ drucken und verteilen kann.

Fürs nächste Jahr ist neben weiteren sieben Neuerscheinungen die Reihe 22 (steht für 22 Mark) geplant, eine lose Folge unbekannter oder wieder in Vergessenheit geratener Biographien der „Müttergeneration“ von 1910 bis 1920.

Auch wenn sich die beiden Verlegerinnen in der Tradition der Frauenbewegung sehen, ihr Verlag unter Frauenbuchverlag firmiert, und dies sicher zu manchem Onus verpflichtet, so könnte es doch vielleicht im Graubereich emanzipatorischer Selbstdefinition auch einem Mann möglich sein, in sekundärer Autorenschaft in einem Frauenverlag zu publizieren – wenn er zum Beispiel mit einem Tagebuchskript seiner Mutter ...?

Monica Streit: „Vollmondhotel“, 130 Seiten, 29 Mark; Adele Meyer (Hg.): „Lila Nächte. Die Damenklubs im Berlin der zwanziger Jahre“. 120 Seiten, 32 Mark; Birgit Cramon Daiber: „Wilde Rede an Europa“. 120 Seiten, 26 Mark

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