: Objekte im Überbau
■ Philosophen bei Wewerka & Weiss
Im zweiten Ausstellungspaket der Werkschau junger Künstler in der Galerie Wewerka & Weiss kommen die mehr oder weniger Bildhauernden Fritz Heisterkamp, Hans Hemmert, Thomas Kunzmann und Georg Zey zum Zuge. Gegenüber dem traditionellen Skulpturbegriff verwehren sich ihre Objekte fast vollständig.
Fritz Heisterkamp hat eine Plastik an der Wand befestigt, der man zumindest noch die Schweißnähte als formbildenden Eingriff ansehen kann. In der anderen Ecke dieses Raumes verschwindet die Einordnungsmöglichkeit der Kunstwerke bereits in merkwürdigen Maskeradebewegungen. Wie in einem Sarg aufbewahrt harrt dort der Kant der »reinen Vernunft« aus. Aber sein philosophisches Werk ist in der Form, die ihm Heisterkamp gibt, abgewandelt worden. Nicht als Suhrkamp-Klassiker der modernen Philosophie läßt sich der kantische Geist betrachten, sondern eingebunden in das zitronengelbe Hochglanzcover eines Schund- und Groschenromanheftchens, das ursprünglich einen Action-Krimi umhüllte: ».....« (Felht noch Tommy, kommt noch)Nun führt der Kommissar die Lösung der kantischen Kritik vor.
Bei Hans Hemmert ist der Schrein der Philosophie nicht ganz so geheiligt, vielmehr jener Obsönität verschrieben, die Bataille sich zu bewältigen anschickte. Drei blutrote Tränen, in Plastik tiefgezogen, ragen monolithisch in den Raum hinein. Zwischen Phalluskult und »Trauerarbeit«, so der eigentliche Titel der Arbeit. Skizzenhaft fein trägt der Bauch der Platik die fast verblaßten Umrisse von Damen jenes Gewerbes, aus dem in der Kunst bis zur totalen Verbürgerlichung in den 30er Jahren die meisten Motive und Modelle entwuchsen: der Prostitution. Edle Nacktheit und (toten)stille Größe sind bei Hemmert in eins gedacht.
Statt Prostitution kann heute der Dealer den freien Markt der Kunst unter Beschlag nehmen. OpArt im Eigenanbau? Oder gleich die zeichentheoretische »French Connection«? Für Thomas Kunzmann sind Kunstkommerz und Rauschgifthandel zu allgemeinen Erbauung nah aneinander gerückt. Im hintersten Raum der Galerie vereinigt er sie als Objekt auf dem Präsentierteller, als Modedroge auf dem Spiegel. Kein vorgekauter Positionismus ist am Wirken, aber wer ein langes Röhrchen dabei hat, kann hier selber zuschlagen. Marihuana, Gras, Amphetamine, LSD, Kokain und Heroin, für jeden etwas, alles da, alles Kunst.
Wer diesem verwirrenden Beieinander der drei Extreme entwichen will, mag sich in die abgetrennten Räume begeben, in denen Georg Zey ausstellt, und wieder beruhigen. In mitunter stoischer Sachlichkeit knüpft er Objekte zusammen, verwebt Gummi zu kubischen Formen, montiert Tischtennisbälle zu polymorphen geometrischen Notizen und konstruiert Minimalmodelle aus bunt schillernden Murmeln. In der Transfiguration von Materialien biegt Zey die ursprünglichen Zusammenhänge der Gegenstände um: Lupen und ein konkaves Stahlgerüst machen aus dem Prinzip der Fokussierung das geordnete Chaos eines Kaleidoskops. Harald Fricke
Heisterkamp, Hemmert, Kunzmann und Zey noch bis zum 31.12, bei Wewerka & Weiss, Di-Fr 10-13 und 15-18, Sa 11-14 Uhr, Pariser Straße 63, 1-15
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