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Objekte & Subjekte der Forschung

Am Anfang war die Frauenforschung. Angespornt von der Studentenbewegung, lüftete die Frauenbewegung den Muff unter den Talaren auf ihre Weise. Inner- und außerhalb der Universitäten entdeckten Frauen, wie die von Männern dominierte Wissenschaft Rollenbilder erfand und festigte. Die Forscherinnen nutzten die Methoden und Theorien der einzelnen Disziplinen, um deren Grundlagen in Frage zu stellen und Wissenschaftsgeschichte umzuschreiben.

Seit Mitte der Achtzigerjahre bekamen Wissenschaftlerinnen für ihre Arbeit auch finanzielle Anerkennung – als Frauenforschungsprofessorinnen. Diese Lehrstühle waren als Instrument der Frauenförderung gedacht. Direkt, weil Frauen nicht nur Objekt, sondern auch Subjekt der Forschung sein sollten. Indirekt, weil sie durch ihre Forschungsergebnisse zum Abbau von Vorurteilen und Ungleichbehandlung beitragen sollten.

In den Neunzigern setzte sich der Begriff Geschlechterforschung (Gender Studies) durch. Damit soll zweierlei ausgedrückt werden: Zum einen wird auch Männlichkeit untersucht. Zum anderen verbinden viele mit Frauenforschung ein essenzialistisches Frauenbild, wonach alle Frauen gleich sind und sich durch ihr körperlich nachweisbares Geschlecht essenziell von Männern unterscheiden. Meist werden ihnen spezifisch weibliche Eigenschaften unterstellt: sinnlicher, naturnah, friedfertiger als Männer.

Geschlechterforschung wendet sich gegen diese Sicht und baut auf der Erkenntnis auf, dass die Zweigeschlechtlichkeit, also die Unterscheidung von Männern und Frauen, selbst ein kulturelles Produkt ist.

Seit Ende der Neunzigerjahre gibt es in Deutschland vereinzelt Studiengänge, die sich der Geschlechterforschung verschrieben haben. Viele angloamerikanische Wissenschaftlerinnen befürchten, dass die Bezeichnung „Gender Studies“ dazu führen wird, dass die immer noch bestehende Benachteiligung von Frauen aus dem Blick gerät. Anders als die GeschlechterforscherInnen würden Menschen nämlich noch sehr wohl Männer und Frauen unterscheiden, wenn es zum Beispiel um die Vergabe von Jobs geht.

Anders als in den USA und Großbritannien gibt es in Deutschland nur zaghafte Ansätze von Männerforschung (englisch „Men’s Studies“) und bislang keine eigene Professur. Die wenigen männlichen Geschlechterforscher betreiben zum überwiegenden Teil Männerforschung. Inhalte sind unter anderem männliche Sexualität, Vaterschaft, Männerbilder in Militär oder Popkultur und die Unterdückung von Männern durch Männer.

Einzelne WissenschaftlerInnen organisieren Seminare und Tagungen zu „Gay and Lesbian Studies“ und „Queer Studies“. Impulse gehen hierbei auch von der Erforschung der Trans- und der Intersexualität aus.

In Frauenstudiengängen studieren nur Frauen, werden aber häufig von Männern unterrichtet. KritikerInnen bemängeln diese Praxis, weil Studentinnen weibliche Vorbilder brauchten. Frauenstudiengänge werden zurzeit in Deutschland eingerichtet, um Frauen die Scheu vor den Ingenieurswissenschaften zu nehmen, die überwiegend von Männern studiert werden. Arbeitsmarktpolitischer Hintergrund hierfür ist ein Arbeitskräftemangel.

EIKEN BRUHN

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