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Oberster Gerichtshof in VenezuelaParlament verliert seine Kompetenzen

Die von der Opposition dominierte Volksvertretung Venezuelas befindet sich im Konflikt mit dem Staatschef. Jetzt entzieht ihr ein Gericht den Handlungsspielraum.

Alle Macht geht in Venezuela jetzt vom Obersten Gerichtshof aus Foto: reuters

Caracas afp | Venezuelas Oberster Gerichtshof hat dem von der Opposition dominierten Parlament seine Kompetenzen entzogen und bis auf Weiteres sich selbst übertragen. Solange die Nationalversammlung geltendes Recht missachte, würden die Kompetenzen des Parlaments vom Obersten Gerichtshof oder einem von ihm bestimmten Organ ausgeübt, hieß es in einer am Mittwochabend verbreiteten Entscheidung des Gerichts.

Der Oberste Gerichtshof hatte bereits im August 2016 geurteilt, dass die oppositionelle Mehrheit im Parlament gegen geltendes Recht verstoße, weil sie drei Abgeordnete, deren Mandat wegen mutmaßlichen Wahlbetrugs ausgesetzt worden war, vereidigt hatte. Die Opposition sah in dieser Entscheidung den Versuch des Regierungslagers, ihren Einfluss zu verringern.

Am Dienstag hatte der Oberste Gerichtshof bereits die Immunität der Abgeordneten im venezolanischen Parlament aufgehoben. Damit ist der Weg für die Strafverfolgung von Abgeordneten frei.

Hintergrund der Gerichtsentscheidungen ist ein tiefer Konflikt zwischen der Regierung des sozialistischen Staatschefs Nicolás Maduro und der Opposition. Diese kämpft seit Monaten für eine Volksabstimmung über eine Amtsenthebung des Präsidenten. Sie macht ihn für die schwere Wirtschaftskrise verantwortlich, die durch den starken Ölpreisrückgang seit 2014 verschärft wurde.

Bloß im Amt bleiben

Wegen Versorgungsengpässen gab es in dem südamerikanischen Land bereits mehrfach schwere Unruhen und Plünderungen. Der Präsident hat bisher jedoch alle Versuche der rechtsgerichteten Opposition abwenden können, ihn aus dem Amt zu jagen.

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4 Kommentare

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  • Endlich handelt die Judikative.

    Die knappe bürgerliche Parlamentsmehrheit hätte die drei vakanten Parlamentssitze längst neu - und damit korrekt - wählen lassen können. Sie hatten offenbar Angst vor empfindlichen Verlusten.

    Der irrationale Hass der Bürgerlichen auf den rechtmäßig gewählten Präsidenten wird nun verfassungsgemäß eingehegt.

    Gut so.

  • Venezuela ist ca. 3 mal so gross wie die BRD. Es hat ausreichend Bodenschätze und ausreichend Anbaufläche - leider wird nicht ausreichend landwirtschaftlich angebaut. Die Industrie ist schwach entwickelt. Das Bildungssystem ist im Vergleich mit anderen Staaten wie Brasilien in Lateinamerika gut entwickelt. Die Analphabetenquote gering. Die Presse und Information ist stark zwischen pro-Regierung und Pro-Opposition gespalten. Die Beschimpfungen und Verunglimpfungen des politischen Gegners unerträglich extrem und zieht sich bis in Familien und Freundeskreise. Das Land hat alles für den Wohlstand aller. Aber die dominierenden Klasse und die dominanten Familien könne sich mit einer "demokratischeren" Gesellschaftsstruktur nicht abfinden, da sie sich an den absolutistischen Herrschaftsanspruch über Jahrhunderte gewöhnt haben. Z.T. verstehen sie sich als "spanische"" Nachfahren und verehren den spanischen König - wenn nicht sogar Franco. Auf der anderen Seite schnell gewendete und deklarierte "Revolutionäre", die die Augen vor der eigenen Korruption schliessen und mir der roten Kappe Schau laufen. Viel heisse Luft von allen Seiten, wenig konkrete Lösungen. Politischer Lärm, damit keiner den geistigen Stillstand auf allen Seiten merkt. Schade für eine venezolanische Jugend, die Besseres verdient hätte. Scham auf die Verantwortlichen und die, die den gegenseitigen Hass fördern.

  • Es geht nicht dass das Parlament die Exekutive abwählt, die sie in einem präsidialen System nicht gewählt hat. Es geht nicht, dass die Juridikative die Machtbefugnisse des Parlaments an sich reisst. Opposition wie Regierung haben offensichtlich nicht die Gewaltenteilung verstanden. Das politische Niveau in Venezuela ist auf ein tiefes Niveau gesunken und es gibt leider auch äussere Kräfte die die Spaltung im Land vertiefen. Eine externe Militärintervention oder ein Bürgerkrieg ist dann der wirkliche Abgrund und das Ende jeden Demokratieverständnisses. Wir waren ja so erfolgreich im Irak, in Afghanistan, in Libyen - blühende Demokratien...Statt Kriege zu fordern und Militärputsche zu fördern, sollte besser von allen Seiten eine pluralistische und tolerante Demokratie gefördert werden. Nach den Kriterien der "out-law states"; würde man zuerst an Königreiche mit Repression , Todesstrafe, Folter und Sklavenhalter ähnlichen Arbeitsgesetzten denken - oder sind das wieder einmal unsere Freunde in der Region? Ist uns Venezuela vielleicht nur deshalb so "wichtig" , weil es die grössten Öl- und Gasreserven der westlichen Hemisphäre sein eigen nennt?

  • 2G
    21272 (Profil gelöscht)

    Nach Auffassung des amerikanischen Philosophen John Rawls hat die internationale Gemeinschaft das Recht, "outlaw-states"(=Schurkenstaaten) nicht zu tolerieren. Letztes Mittel sei eine militaerische Intervention zum Schütz der Buerger.