piwik no script img

Oberbürgermeisterwahl in KölnAuferstehung der SPD

Bei der Oberbürgermeisterwahl in Köln könnte sich Ende August ein sozialdemokratischer Ex-Polizeichef gegen zwei bürgerliche Schwule und einen Rechtsextremen durchsetzen.

SPD-Kandidat Jürgen Roters befindet sich nicht nur beim Christopher-Street-Day in einer komfortablen Position. Bild: dpa

KÖLN taz | Es wirkt wie eine neckische Installation des Kölner Aktionskünstler HA Schult. "Köln kanns", behauptet die CDU. "Köln kann's besser", verspricht die SPD. "Köln kann mehr", kontert die FDP. Hinter der skurrilen Einfallslosigkeit der Parolen, mit denen die Parteien an unzähligen Mästen und Bäumen seit wenigen Tagen in der Domstadt für die Kommunalwahl am 30. August werben, steckt eine spannende politische Auseinandersetzung.

Während andernorts die Sozialdemokraten von einer Krise in die nächste taumeln, erleben sie in der rheinischen Metropole ein bemerkenswertes Comeback. Nach zehn Jahren christdemokratischer Stadtspitze haben sie beste Aussichten, das Oberbürgermeisteramt zurückzugewinnen.

Der SPD-Kandidat Jürgen Roters ist in einer komfortablen Position. Der ehemalige Kölner Polizei- und Regierungspräsident kann nicht nur auf seine eigene Partei bauen, sondern auch auf die Unterstützung der in Köln traditionell starken Grünen.

Ausgewählt wurde der nüchterne Verwaltungsfachmann von einer paritätisch besetzten Findungskommission. Die Chancen für Roters werden zudem dadurch verbessert, dass sich die Linkspartei nach heftigen innerparteilichen Diskussionen dazu durchgerungen hat, keinen eigenen Kandidaten ins Rennen zu schicken.

Von solch formidablen Verhältnissen kann CDU-Kandidat Peter Kurth nur träumen. Der frühere Berliner Finanzsenator ist als Notlösung eingesprungen, nachdem Ende März der derzeitige christdemokratische Amtsinhaber Fritz Schramma aufgrund seines dilettantischen Krisenmanagements nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs auf eine erneute Kandidatur verzichten musste.

Kurth tritt an für eine durch interne Machtkämpfe völlig zermürbte und von unzähligen Korruptionsaffären tief erschütterte Kölner CDU. Ein Himmelfahrtskommando, zumal für jemanden, der keinen Karneval mag und lieber Cocktails als Kölsch trinkt. Doch das ist nicht sein einziges Problem.

Denn der 49-jährige gelernte Jurist sieht sich unangenehmer Konkurrenz im "Rechts-der-Mitte"-Spektrum ausgesetzt, die ihm kräftige Streuverluste in der Stammwählerschaft zu bescheren droht. Auf der einen Seite buhlt Markus Beisicht, der 45-jährige Chef der rechtsextremen "Bürgerbewegung Pro Köln", um die Stimmen aus dem quantitativ nicht zu unterschätzenden klerikal-reaktionären Milieu.

Auf der anderen Seite fischt der FDP-Ratsfraktionsvorsitzende Ralph Sterck in der wirtschaftsliberalen Klientel. Sein Antritt verdankt sich in erster Linie der Arroganz der Kölner CDU, die es nicht für nötig hielt, frühzeitig mit den Liberalen über eine gemeinsam getragene Kandidatur zu verhandeln. Ein dummer Fehler, da der Düsseldorfer Landtag mit seiner schwarz-gelben Mehrheit die Stichwahl abgeschafft hat.

Auch Kurth gelang es nicht mehr, den Fauxpas zu korrigieren und den 43-jährigen Hauptgeschäftsführer der nordrhein-westfälischen FDP doch noch zu einem Rückzug zu bewegen. "Falls die CDU einen schwulen Kandidaten ausgesucht haben sollte, um mich zum Rückzug zu becircen, hat sie sich geirrt", beschied ihm Sterck kühl.

Vor einigen Jahren noch undenkbar, treten mit Kurth und Sterck nunmehr gleich zwei bekennende Schwule für das "bürgerliche" Lager in einer Großstadt zu einer Oberbürgermeister-Wahl an - eine bundesdeutsche Premiere.

So liberal Köln sich nach außen auch gerne gibt: Risikolos ist das offene Schwulsein für einen CDU-Kandidaten in der Stadt des homophoben Kardinals Joachim Meisner allerdings keineswegs. Nicht wenige an der bisweilen arg provinziellen christdemokratischen Basis haben damit immer noch ihre gehörigen Probleme. Es werde sicher einige Konservative geben, die keinen schwulen Oberbürgermeister wollten, ist sich Kurth bewusst.

Andererseits gebe es jedoch "ebenso Leute, die wollen, dass sich die CDU bestimmten Modernisierungsprozessen öffnet". Zudem bekenne er sich "nicht nur zu allen Aspekten meiner Persönlichkeit, sondern auch dazu, praktizierender Katholik zu sein". Ob das reichen wird? Es hat schon seinen Grund, dass sich der Sozialdemokrat Roters großflächig mit Ehefrau und seinen drei Kinder plakatieren lässt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

22 Kommentare

 / 
  • FV
    F.Theilen v.Wrochem

    Der frühzeitige Verzicht der Grünen auf einen eigenen OB -Kandidaten hat sich, nach dem Rückzug von F.Schramma als strategischer Fehler erwiesen.Die SPD ist , ebenso wie ihr OB Kandidat Roters, aus verschiedenen Gründen,für viele WählerInnen nicht wählbar. Das festhalten am unsinnigen Ausbau des Godorfer Hafens ist einer dieser Gründe.Es wird (hoffentlich)zu einem Erstarken der "kleinen" Parteien kommen.

  • D
    deinefreunde.org

    Es wird übrigens nicht nur ein OB gewählt, sondern auch der Rat der Stadt Köln. Und hier gibt es Neues: DEINE FREUNDE, eine kleine, feine Wählergruppe, über die auch die taz leider noch nicht berichtet hat. Schaut auf unserer Webseite vorbei, und wählt uns gefälligst am 30. August! ;)

     

    FREUNDFREUNDFREUND! Thor

     

    P.S.: Kleine Anregung zur Diskussion unten, es kandidiert keine Frau!

     

    www.deinefreunde.org

  • M
    Mike

    @treba: das ist vielleicht rechts - aber nicht extrem. Die Linke ist ja auch nicht gleich linksextrem, nur weil sie links ist.

  • E
    ela

    Nicht zu fassen, dass im heutigen Deutschland ein Markus Beisich überhaupt kandidieren darf!

  • I
    iBot

    Nein. Das liegt wohl eher daran, dass Markus Beisicht rechtsextrem IST. Einfach mal googlen und schauen, was man so über seine Vergangenheit findet.

  • T
    treba

    @marek: weil die vereinigung pro köln offen fremdenfeindliche parolen skandiert und ängste vor einer islamisierung europas schürt?

  • M
    Marek

    Wieso eigentlich rechtsextrem? Alles was nicht links von der CDU steht muß automatisch rechtsextrem sein?

  • K
    Küstenstelze

    Vor ein paar Jahren wäre es für mich noch unvorstellbar gewesen, dass ein Mann wie Herr Roters sich für dieses Schein-Amt bewerben könnte.

    Hat er die Kölner Politik von zwei Jahrzehnten aus zu weiter Ferne betrachtet oder ist er nur auf eine Show-Einlage aus? Ein vernünftiges Argument kann es meiner Meinung nach nicht geben, in Köln Oberbürgermeister werden zu wollen. Oder Herr Roters träumt davon, über diesen Umweg bald in der Bundespolitik eine Rolle spielen zu können. Vielleicht haben wir dann gleich zwei SPD-Kandidaten für den Bundeskanzlerposten: Wowereit und Roters. Schwul gegen Cool. Ich träume das noch weiter: Wenn es darauf ankam, hat die SPD sich immer selbst ein Bein gestellt. Das würde doch passen, oder?

  • A
    Amos

    Wenn die SPD wieder Land gewinnt, dann heißt das nicht, dass sie SPD so gut ist. Das liegt nur daran,

    dass man Schramma nicht mehr sehen kann. Keiner ändert was zu Gunsten des Kleinbürgers, es kommt auch nach der Wahl von SPD knüppeldicke, weil die

    Bundesregierung,( wahrscheinlich CDU/FDP ) die Kommunen wird ausbluten lassen. Die können sich

    dann mit den sozial schwachen und kaputt gehenden

    Mittelständlern herumschlagen. ES WIRD FURCHTBAR!

  • N
    noart

    Die sexuelle Orientierung dürfte das kleinste Problem sein.

    Jemand aus Berlin OB in Köln, das geht gar nicht.

    Der hat absolut keine Chance.

    Auf Ideen kommen die Leute.

  • H
    H.Klöcker

    Jesus, Schwule... Ist das nun diskriminierend gemeint oder schreibt ihr sonst auch gegen zwei Heteros, gegen zwei Katholiken, gegen zwei Vegetarier?

  • FV
    F.Theilen v.Wrochem

    Der frühzeitige Verzicht der Grünen auf einen eigenen OB -Kandidaten hat sich, nach dem Rückzug von F.Schramma als strategischer Fehler erwiesen.Die SPD ist , ebenso wie ihr OB Kandidat Roters, aus verschiedenen Gründen,für viele WählerInnen nicht wählbar. Das festhalten am unsinnigen Ausbau des Godorfer Hafens ist einer dieser Gründe.Es wird (hoffentlich)zu einem Erstarken der "kleinen" Parteien kommen.

  • D
    deinefreunde.org

    Es wird übrigens nicht nur ein OB gewählt, sondern auch der Rat der Stadt Köln. Und hier gibt es Neues: DEINE FREUNDE, eine kleine, feine Wählergruppe, über die auch die taz leider noch nicht berichtet hat. Schaut auf unserer Webseite vorbei, und wählt uns gefälligst am 30. August! ;)

     

    FREUNDFREUNDFREUND! Thor

     

    P.S.: Kleine Anregung zur Diskussion unten, es kandidiert keine Frau!

     

    www.deinefreunde.org

  • M
    Mike

    @treba: das ist vielleicht rechts - aber nicht extrem. Die Linke ist ja auch nicht gleich linksextrem, nur weil sie links ist.

  • E
    ela

    Nicht zu fassen, dass im heutigen Deutschland ein Markus Beisich überhaupt kandidieren darf!

  • I
    iBot

    Nein. Das liegt wohl eher daran, dass Markus Beisicht rechtsextrem IST. Einfach mal googlen und schauen, was man so über seine Vergangenheit findet.

  • T
    treba

    @marek: weil die vereinigung pro köln offen fremdenfeindliche parolen skandiert und ängste vor einer islamisierung europas schürt?

  • M
    Marek

    Wieso eigentlich rechtsextrem? Alles was nicht links von der CDU steht muß automatisch rechtsextrem sein?

  • K
    Küstenstelze

    Vor ein paar Jahren wäre es für mich noch unvorstellbar gewesen, dass ein Mann wie Herr Roters sich für dieses Schein-Amt bewerben könnte.

    Hat er die Kölner Politik von zwei Jahrzehnten aus zu weiter Ferne betrachtet oder ist er nur auf eine Show-Einlage aus? Ein vernünftiges Argument kann es meiner Meinung nach nicht geben, in Köln Oberbürgermeister werden zu wollen. Oder Herr Roters träumt davon, über diesen Umweg bald in der Bundespolitik eine Rolle spielen zu können. Vielleicht haben wir dann gleich zwei SPD-Kandidaten für den Bundeskanzlerposten: Wowereit und Roters. Schwul gegen Cool. Ich träume das noch weiter: Wenn es darauf ankam, hat die SPD sich immer selbst ein Bein gestellt. Das würde doch passen, oder?

  • A
    Amos

    Wenn die SPD wieder Land gewinnt, dann heißt das nicht, dass sie SPD so gut ist. Das liegt nur daran,

    dass man Schramma nicht mehr sehen kann. Keiner ändert was zu Gunsten des Kleinbürgers, es kommt auch nach der Wahl von SPD knüppeldicke, weil die

    Bundesregierung,( wahrscheinlich CDU/FDP ) die Kommunen wird ausbluten lassen. Die können sich

    dann mit den sozial schwachen und kaputt gehenden

    Mittelständlern herumschlagen. ES WIRD FURCHTBAR!

  • N
    noart

    Die sexuelle Orientierung dürfte das kleinste Problem sein.

    Jemand aus Berlin OB in Köln, das geht gar nicht.

    Der hat absolut keine Chance.

    Auf Ideen kommen die Leute.

  • H
    H.Klöcker

    Jesus, Schwule... Ist das nun diskriminierend gemeint oder schreibt ihr sonst auch gegen zwei Heteros, gegen zwei Katholiken, gegen zwei Vegetarier?