Oberaufklärer des Naziterrors: Erfahren und qualifiziert
Sebastian Edathy leitet den Untersuchungsausschuss des Bundestags. Lange vor der Debatte um Thilo Sarrazin machte er auf islamfeindliche Parolen aufmerksam.
BERLIN taz | Die Erwartungen an den Neonazi-Untersuchungsausschuss sind hoch. Das Gremium, das in wenigen Tagen offiziell eingerichtet wird, soll nicht weniger als die Frage klären: Wie konnte es sein, dass rechtsextreme Terroristen 13 Jahre lang im Untergrund leben und mindestens zehn Menschen ermorden konnten? Gleichzeitig müssen die Parlamentarier vermeiden, dass der Ausschuss als Bühne für die üblichen parteipolitischen Spielchen missbraucht wird.
Sebastian Edathy von der SPD ist der Mann, der den Untersuchungsausschuss des Bundestags leiten und dafür sorgen soll, dass dieser echte Aufklärung betreibt. Das passt. Denn der 42-Jährige war nicht nur mehrere Jahre Vorsitzender des Innenausschusses, sondern ist auch Experte beim Thema Rechtsextremismus und Rechtspopulismus.
Schon lange vor der Debatte um Thilo Sarrazin hat Edathy auf die islamfeindlichen Parolen auf Internetseiten wie "Politically Incorrect" hingewiesen und den Verfassungsschutz aufgefordert, die Muslimhasserszene zu beobachten. Als sein Parteigenosse Sarrazin dann im Jahr 2009 erstmals in einem Interview gegen Araber und Türken hetzte, die "ständig neue kleine Kopftuchmädchen" produzierten, war Edathy einer der klarsten Kritiker in der SPD: Das sei "Rassismus pur und eine Tonlage, die ich außerhalb der NPD bisher nicht vernommen habe".
Seit 2010 ist der Hannoveraner Edathy auch Vorsitzender der deutsch-indischen Parlamentariergruppe. Das hat damit zu tun, dass sein Vater in Indien geboren ist, die Mutter stammt aus Mecklenburg. Wenn man Edathy deshalb, wie es die vom Bundestag herausgegebene Zeitung Das Parlament einmal gemacht hat, als "indischstämmig" bezeichnet, ärgert er sich maßlos. "Was macht mich, der ich hier geboren wurde, ,indischstämmig'?", schrieb er in der taz.
In der rechtsextremen Szene ist Edathy nicht nur wegen seiner Vorfahren verhasst. Auf der rechten Prangerseite "Nürnberg 2.0" wird der SPD-Bundestagsabgeordnete als einer der Politiker genannt, "die durch linke Ideologie aktiv die Zerstörung unseres Heimatlandes betreiben". Da passt es doch, dass er der Oberaufklärer des Bundestags in der Neonazi-Affäre sein wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid