Obdachlose auf der (Volks-)Bühne

■ Sozialstadtrat von Mitte war begeistert von einem schottischen Theaterprojekt und holte es nach Berlin/ Obdachlose spielen sich selber in GLAD und machen anderen Gestrandeten damit Mut

Mitte. Nachdem die Welle der Obdachlosen und »Nichtseßhaften« auch Ost-Berlin erreicht hat, sehen sich die Bezirksämter mit der Aufgabe konfrontiert, sich mit dieser im Osten bisher unbekannten sozialen Erscheinung auseinanderzusetzen. Einen ungewöhnlichen Beitrag will das Bezirksamt Mitte dazu leisten. Als der dortige Bezirksstadtrat für Soziales, Rainer Roepke, im Spätsommer in Edinburgh weilte, machte er bei dem dort stattfindenden Theaterfestival auch Bekanntschaft mit dem Theaterprojekt »GLAD«. Das Projekt, das in Edinburgh von Publikum und Kritik gleichermaßen begeistert aufgenommen und mit den Preisen »Scotsman Fringe First« und »Evening News National Award« ausgezeichnet wurde, erzählt die Geschichte eines Tages im Leben von Obdachlosen. Die Besonderheit dabei: Die meisten der Darsteller spielen sich selbst. Das hatte Roepke seinerzeit so sehr beeindruckt, daß er die Truppe nach Berlin einlud.

»Die Botschaft«, so Roepke, »die von diesem Projekt ausgeht, heißt >nimm dein Leben in deine eigene Hand<. Die Akteure dort auf der Bühne, die sonst ihr Leben auf der Straße und in Obdachlosenasylen fristen müssen, blühten bei ihrem Spiel regelrecht auf. Das war so eine Art therapeutische Maßnahme für diese Menschen.« Roepke war beeindruckt und stellte ein ähnliches Projekt in Ost-Berlin auf die Beine. Wenn GLAD Anfang Januar sein Gastspiel in der Ostberliner Volksbühne gibt, sollen auch von Obdachlosigkeit Betroffene im Zuschauerraum sitzen. Bereits vorher will man versuchen, wohnungslose Mitbürger für das Projekt zu interessieren, sie bereits zu den Proben von GLAD einladen und darüber hinaus ein ähnliches Projekt auf die Beine zu stellen. »Wir stehen dabei nicht unter Erfolgszwang«, sagte Roepke. »Falls es uns gelingt, genügend Leute zusammenzubekommen, spielt es dabei nur eine untergeordnete Rolle, ob das Ganze dann auch wirklich bis zur Bühnenreife geführt wird.« Für ihn sei es wichtig, »diesen Menschen, die sich auf der untersten Stufe der sozialen Leiter befinden, ein gewisses neues Selbstwertgefühl zu geben.« Unter Obdachlosigkeit, erklärte der Bezirksstadtrat, »verstehe ich nicht nur den Penner auf der Platte. Auch Menschen, die aus Gründen wie Scheidung oder Arbeitslosigkeit ihre Wohnung verloren haben, zählen für mich dazu.«

Roepke hat bereits mit einem in West-Berlin lebenden jugoslawischen Regisseur gesprochen, der zur Leitung des Projektes bereit wäre. Offen sei jedoch noch die Frage der Finanzierung. »Ich bin dafür, dieses Projekt ausschließlich aus Spenden finanzieren zu lassen«, sagte er. Deshalb rufe man interessierte Bürger auf, ihren Spendenbeitrag auf das Konto der Bank für Sozialwirtschaft 3061000 (BLZ 10020500) einzuzahlen. ok