piwik no script img

Obama verliert seinen HandelsministerRückzug aus zweifelhaften Motiven

Barack Obama scheitert erneut: Der Republikaner Judd Gregg zieht seine Kandidatur als US-Handelsminister zurück.

Überraschender Abgang: Senator Judd Gregg will doch nicht Handelsminister werden. Bild: dpa

WASHINGTON taz Es war ein weiterer schwarzer Tag in der kurzen Präsidentenkarriere des Barack Obama. Denn der Donnerstag machte endgültig deutlich, wie vergebens die Liebesmühe ist, die Obama in die Idee der überparteilichen Kooperation mit den Republikanern steckt. An diesem Tag wurde auch offenbar, wie viel effektiver der demokratische Präsident ist, wenn er sich seiner Popularität und Redekunst im Land bedient, anstatt zu versuchen, mit den Republikanern ins überparteiliche Geschäft zu kommen.

Während der Präsident sich anschickte, die Bühne in Peoria im US-Bundesstaat Illinois zu betreten, wo er bei mehreren wahlkampfähnlichen Veranstaltungen seine Botschaft des Krisenmanagements vor Wahlbürgern erklären wollte, verpasste ihm sein designierter Handelsminister eine virtuelle Ohrfeige. Der erst vergangene Woche nominierte Republikaner Judd Gregg, 61, machte überraschend wegen politischer Differenzen eine Kehrtwende und zog seine Kandidatur zurück. Gregg teilte dies Reportern per E-Mail mit, nur wenige Minuten bevor Obama einige hundert Meilen weiter westlich seine Rede begann.

Grund für seine Entscheidung, so Gregg, seien "unlösbare Differenzen" mit der Politik von Obama. Er verwies bei seinem Sinneswandel unter anderem auf das Konjunkturprogramm und die anstehende Volkszählung, als wäre das Stimulationspaket, das Obama seit Wochen im Kongress verhandeln lässt, nicht hinlänglich bekannt. Obama, der sich laut Angaben aus dem Weißen Haus noch am Mittwoch mit Gregg zu einem Gespräch getroffen hatte, war sichtlich überrascht.

Gregg, Senator aus New Hampshire, war Obamas zweiter Anlauf bei der Suche nach einem Handelsminister. Zuvor hatte der Demokrat Bill Richardson, Gouverneur von New Mexico und einstiger Mitbewerber um die demokratische Präsidentschaftskandidatur, seine Bewerbung wegen Korruptionsermittlungen zurückgezogen. Gregg wäre nach Verteidigungsminister Robert Gates und Verkehrsminister Ray Lahood der dritte Republikaner an Obamas Kabinettstisch gewesen und sollte damit auch Obamas Willen zur überparteilichen Zusammenarbeit symbolisieren.

Auf einer Pressekonferenz räumte Gregg ein, es sei falsch gewesen, sich für den Posten des Handelsministers nominieren zu lassen: "Ich habe ja gesagt, das war mein Fehler." Zuvor hatte das Weiße Haus in einer ersten Reaktion sein Befremden kundgetan, denn Gregg soll sich nach Angaben von Obama-Mitarbeitern selbst ins Gespräch gebracht haben und dabei begeistert gewirkt haben. Gregg bestritt dies. Medienberichten zufolge haben in den vergangenen Tagen zahlreiche Republikaner Druck auf Gregg ausgeübt, den Posten abzulehnen.

Über das umstrittene Konjunkturpaket wollte am Freitag der US-Kongress letztmalig abstimmen. Eine Zustimmung der Republikaner galt als unwahrscheinlich. Ein Ergebnis lag bis zum Redaktionsschluss nicht vor.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • W
    wanja

    Na, der hat sicher (d.h. natürlich nur vermutlich) auch ein paar Steuern nicht bezahlt oder war vielleicht in Korruption verwickelt (wer ist das eigentlich nicht, der in den USA sehr erfolgreich ist?).

     

    Aber das würde doch beides zu einem Handelsminister gar nicht schlecht passen - wenn ich so an die Machenschaften der Welthandelsorganisation oder ähnlicher Seilschaften denke!

     

    B. Obama tut mir aber irgendwie leid - fast kommt einer da in Versuchung an Komplott zu glauben (Minister werden vorgeschlagen, von denen einige der Vorschlagenden irgendwie wissen, dass sie Dreck am Stecken haben und bald wieder zurückrudern müssen - um letztlich Obama, Biden, Clinton ... zu diskreditieren oder zu blamieren), naja, nur fast ...

  • B
    Bert

    Hier ist nicht Obama gescheitert, sondern die Partei der Republikaner. Hier hat nicht Obama eine "Ohrfeige" bekommen, sondern die Republikanerpartei hat sich selber eine "Ohrfeige" verpasst!

     

    Es ist peinlich für die Republikanerpartei, den Dreck mit wegräumen zu sollen, den sie während der Bushkriegerzeit aufgehäuft hat. Sie hat vor sich selber kapituliert.

  • ST
    Stefan Thiesen

    Man kann die schwierigen Nominierungen in einer äußerst schwierigen Zeit als "Pannen" beschreiben, oder man kann sie positiv als einen transparenten und ehrlichen Auswahlprozess werten. Durch die Busch-Zeit sind wir es von den Amerikanern schlicht nicht mehr gewöhnt, daß hier offen über Differenzen gesprochen wird. In den letzten 8 Jahren wurde jede Art von internem Konflikt als Schwäche bewertet und mit allen Mitteln unter Verschluss gehalten. Selbst der fast schon heilige "Freedom of Information Act" wurde von Bush immer wieder per "executive order" außer Kraft gesetzt. Präsident Obama dagegen glaubt offenbar an Transparenz und Kooperation. Wenn er Republikanern Kooperation anbietet und diese sich dazu nicht in der Lage sehen, sehe ich das als Statusgewinn für Obama, nicht als Pleite. Und er hat es offenbar deutlich genug gemacht, daß er Null Toleranz gegenüber jeder Art von Korruption hat, so daß einige Leute mit Leichen im Keller bereits im Vorfeld die Segel streichen. Für Spitzenpolitiker sollen die Selben Anstandsregeln gelten wie für jeden anderen Bürger. Meinte der President. Bravo! Sage ich.

  • M
    meinname

    Bin ich der einzige, der an Judge Dredd denken muss, wenn er diesen Namen ließt?

  • M
    MichaelAC

    Stellt sich mir nun die Frage:

     

    Warum hat Obama mit seinen (angenehm ungewöhnlichen) Entscheidungen so ins Klo gegriffen?

     

    Entweder kommt jetzt (endlich) ans Tageslicht, wie sehr die Politiker mittlerweile außer Kontrolle sind.

     

    Oder da torpediert jemand aus dem Hintergrund ganz fleißig Obamas Entscheidungen, z.B. die Falken... denn Obamas Entscheidungen kosten sie viel Geld. Sehr viel Geld!

     

    Kleines Gedankenspiel:

    In Deutschland käme jemand von Obamas Format, Tatendrang und Offenheit an die Regierung... welche Leichen würden im Berliner Keller zu Tage treten? Mal abgesehen von Steuerhinterziehung und Korruption... ;-)

     

    Schönes WoEnde aus Aachen

    Michael