Obama und die AIG-Boni: "Den Schlamassel bereinigen"
Millionenschwere Bonuszahlungen an AIG-Manager sorgen für Empörung. Präsident Obama hat dafür Verständnis, muss aber erneut Finanzminister Geithner das Vertrauen aussprechen.
WASHINGTON taz Empörung, das ist der angesagte Gemütszustand dieser Tage in Washington. "Ich weiß, dass viele von euch empört sind - und das seid ihr zu Recht. Ich bin auch empört", rief US-Präsident Barack Obama den Zuhörenden am Mittwochabend bei einer Veranstaltung im kalifornischen Costa Mesa zu. Immer, wenn es brenzlig wird, der Volkszorn in diesen Krisenzeiten aufwallt, verlässt der Präsident das Weiße Haus und spricht zu einer Reihe von wahlkampfartigen Bürgerforen. Dann gibt er sich populistisch und sagt Dinge wie: "Ich übernehme dafür die Verantwortung. Ich bin der Präsident. Es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wir das Schlamassel bereinigen, auch wenn ich es nicht gemacht habe."
Grund des Ärgers ist die Boni-Affäre beim weltgrößten Versicherungskonzern AIG. Dort war bekannt geworden, dass AIG rund 75 Managern vertragsgemäß Bonuszahlungen von insgesamt 165 Millionen Dollar ausgezahlt hatte. Das sonst in der Finanzbranche übliche Verfahren erregte jetzt heftige Reaktionen, weil ebenjene Manager dem Konzern im vergangenen Jahr den historischen Rekord von knapp 100 Milliarden Dollar Verlust beschert hatten. Die US-Regierung hatte bislang schon viermal eingewilligt, AIG mit Finanzspritzen vor dem Kollaps zu retten. Insgesamt hat der Traditionskonzern bereits 180 Milliarden Dollar Nothilfe aus der Staatskasse erhalten und gehört bereits zu 80 Prozent dem Staat.
Das aufgebrachte Repräsentantenhaus wollte noch am Donnerstag über ein Gesetz abstimmen, mit dem ein Großteil der AIG-Prämien wieder eingetrieben werden soll. Es sieht eine 90-prozentige Sondersteuer auf Boni von Managern vor, deren Einkommen über 250.000 Dollar liegt. Es soll für alle Unternehmen gelten, die mindestens fünf Milliarden Dollar Staatshilfe erhalten haben.
Nun droht der Skandal Obamas Bemühungen zu unterminieren, die Finanzmärkte zu stabilisieren und die Rezession so schnell wie möglich zu beenden. Denn längst hinterfragen politische Gegner lautstark alle Aspekte der staatlichen Rettungsversuche der angeschlagenen American International Group. Kritiker fragen, warum US-Finanzminister Timothy Geithner versagte und die Bonizahlungen nicht verhindert habe.
Nun stellt sich die Frage, warum das Weiße Haus erst so spät reagierte und ob die großzügigen Wahlkampfspenden, die AIG in den vergangenen zehn Jahren an Politiker der Demokraten und Republikaner gezahlt hatte, dafür gesorgt haben, dass Washington es lange Zeit nicht so genau nahm. Und auch, warum die US-Regierung erlaubte, dass AIG die staatliche Nothilfe benutzte, um sowohl 13 Milliarden an das Wall-Street-Powerhaus Goldaman Sachs als auch an ausländische Banken zurückzuzahlen.
Vor allem für Geithner wird die Luft in Washington dünn. So dünn, dass sich Obama bereits zum dritten Mal in drei Tagen hinter seinen Finanzminister stellte und ihm öffentlich seine volle Unterstützung bekundete. Noch zögern Republikaner, offen seinen Rücktritt zu fordern, schließlich kommt Geithner, Exchef der New Yorker Fed, aus einem republikanischen Umfeld. Doch wird ihm die AIG-Äffare auf die Füße fallen, sind sich Beobachter sicher, wenn er in den kommenden Tagen seine neue Strategie zur Bankenrettung vorstellen und dafür Unterstützung beider Parteien einholen muss. Besonders unverständlich ist Geithners Versagen selbst für Demokraten, da die Nachrichtenagentur Bloomberg bereits am 27. Januar vermeldet hatte, dass AIG vorhabe, die üblichen Boni auszuzahlen.
Geithners Schwäche dürfte auch Obamas Aussichten trüben, demnächst eine weitere Runde von Finanzspritzen vom Kongress erbitten zu müssen. Die wird laut Finanzexperten bald notwendig werden, denn die Wirtschaftsdaten sind, glaubt man Gerüchten vom Donnerstag, noch schlechter, als vor kurzem selbst Pessimisten angenommen haben. So soll das Kongress-Budgetamt am Freitag neue Horrormeldungen verbreiten: eine weitere Billion US-Dollar mehr Defizit für die kommenden Jahre als bislang erwartet.
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