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Obama macht Wahlkampf in Comedy-ShowAnspielung auf ein Bush-Zitat

Vor den Kongresswahlen am Dienstag ist Präsident Obama im Fernsehen aufgetreten - in der "Daily Show" von Comedian Jon Stewart. Der gab sich als Anwalt enttäuschter Linksliberaler.

"Yes we can, aber...": Barack Obama im US-Fernsehen. Bild: Screenshot

Einen enthusiastischeren Empfang hätte sich Barack Obama nicht wünschen können. Als der Präsident am Mittwoch die Bühne des Harman Center for the Arts in Washington DC betrat, um sich den Fragen des Comedians Jon Stewart in dessen "Daily Show" zu stellen, brach das Publikum in hysterischen Applaus aus, wie ihn Obama seit den Wahlkampfzeiten 2008 nicht mehr erlebt haben dürfte.

30 Minuten lang ließ sich Obama von Jon Stewart befragen - ein Versuch, jene jungen WählerInnen wiederzugewinnen, die 2008 für ihn gestimmt hatten und sich jetzt, bei den Kongresswahlen am kommenden Dienstag, von den Demokraten abzuwenden drohen. Unter den kritischen und informierten Fragen seines Gastgebers tat Obama alles, um seine ersten 21 Amtsmonate historisch ins rechte Licht zu rücken, um für Geduld zu werben und für die Chance, seine Agenda weiter voranzutreiben.

Jon Stewart hingegen gab den Anwalt der enttäuschten Linksliberalen. Immer wieder kam er auf die Versprechen des Wahlkampfes zurück, konfrontierte Obama mit den geweckten Erwartungen. "Sie sind mit großer Rhetorik gestartet", sagte Stewart, "Hoffnung und Veränderung. Heute scheinen die Demokraten eher zu betteln: ,Bitte, Baby, noch eine Chance!' Sind Sie überrascht, dass manche, auch Ihre Basis, darüber enttäuscht sind?" Obama zeigte Verständnis: "Bei 9,6 Prozent Arbeitslosigkeit, wenn die Wirtschaft wächst, aber nicht schnell genug, um die 8 Millionen Jobs wiederzubringen, die verloren gegangen sind - ja, dann werden Leute frustriert sein, und das wird sich politisch widerspiegeln."

Obama schaltete, von den Fragen getrieben, schnell auf offensive Verteidigung. Gesundheitsreform, Finanzreform - "immer und immer wieder haben wir eine Agenda vorangetrieben, die das Leben der Menschen verändert. Ist das genug? Nein." Wichtigster Punkt von Stewart: Obama habe es nicht vermocht, das Versprechen grundlegender Veränderungen in Washingtons Politbetrieb umzusetzen. Obama gab ihm recht: "Unsere Einstellung war: Wir müssen Dinge hinbekommen, in einigen Fällen sehr schnell, und wir haben innerhalb des Systems gearbeitet, statt zu versuchen, es zu verändern. Zweifelsohne ist das frustrierend, auch für mich." Vor allem die permanente Bedrohung durch die Sperrminorität von 40 Stimmen - das sogenannte Filibuster, mit dem die Minderheit Gesetze verhindern kann -, "die gegen alles angewandt wird, was wir umzusetzen versuchen", sei auf Dauer untragbar.

Einer der kritischen Höhepunkte des Interviews kam mit John Stewarts Frage nach Larry Summers, Obamas oberstem Wirtschaftsberater - einem Veteran der Clinton-Regierung, den viele für die mangelnde staatliche Regulierung des Finanzwesens verantwortlich machen: "Sie haben im Wahlkampf gesagt, man könne keine anderen Ergebnisse erwarten, wenn man es mit den gleichen Leuten versuche. Und dann haben Sie Larry Summers geholt …" Nach längeren Ausführungen über den Umgang mit der Finanzkrise verteidigte Obama Summers dann augenzwinkernd mit den Worten, der habe einen "tierisch guten Job" gemacht ("the heck of a job") - also genau das, was Präsident George W. Bush nach dem Wirbelsturm "Katrina" dem damaligen Chef der Zivilschutzbehörde bescheinigte - heute ein Synonym für völliges Versagen.

Als Stewart nachfragte, ob der Präsident seinen nächsten Wahlkampf als Pragmatiker angehen würde, etwa mit dem Slogan "Yes we can - unter bestimmten Voraussetzungen", antwortete Obama: "Nein, ich würde sagen: Yes we can, aber …" und an dieser Stelle brach Stewart in hysterisches Lachen aus.

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6 Kommentare

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  • BP
    Bernd Pickert

    Lieber Thomas Buck,

     

    ich sehe die Daily Show jeden Tag, und das schon seit langem. Deshalb erinnere ich mich auch noch gut an das Interview, dass Jon Stewart vor zwei Jahren, wenige Tage vor der Präsidentschafswahl, mit Obama geführt hat. Und an sein Interview mit John Kerry 2004. DAS waren wirkliche softball-Interviews - dagegen war dieses hier richtig kritisch.

     

    Was Obama sicher nicht gemacht hat: Er hat nicht den advocatus diaboli gespielt und etwa Tea Party-Argumente in seine Fragen einfließen lassen. Das hätte ihm aber auch niemand abgenommen; jeder weiß schließlich, dass Stewart kein Obama-Gegner ist und schon gar kein Rechter.

     

    Wenn Ihnen das mehrfache Konfrontieren des Präsidenten mit seiner Wahlkampfrhetorik, die Nachfragen nach Larry Summers usw. zu zahm sind, kann ich Ihnen auch nicht helfen. Ich denke, Stewart hat genau die Fragen gestellt, die enttäuschte Obama-Anhänger auf der Suche nach dem verlorenen Mythos gerne selbst gestellt hätten (aber sich vermutlich nicht getraut hätten: Wer nennt schon seinen Präsidenten "Alter"?)

     

    Ein vollständiges Transcript, neben den Videos, findet sich im übrigen hier:

    http://lincmad.blogspot.com/2010/10/full-transcript-of-obama-on-daily-show.html

     

    Herzliche Grüße aus DC

    Bernd Pickert

     

    P.S. "Hysterisch" - hm, da haben Sie vermutlich Recht.

     

     

    --

  • U
    UMC

    Um das verstehen zu können, was da passiert ist, muss man...

     

    - zunächst regelmäßig die DS gucken (evtl. auch den Colbert Report)

    - wissen wer Beck und O'Reilly sind und was die in der Vergangenheit so getrieben haben

    - gelegentlich auch mal bei Bill Mahers Real Time-Diskussion vorbeischauen

    - bestimmte Formate der verschiedenen Networks kennen (Joe Scarborough, Olberman, etc.)...

     

    Der amerikanische Medienalltag ist komplex und macht nie 'ne Pause.

     

    Wenn man das alles nicht kennt, kommt ein ureflektierter Artikel wie dieser hier raus.

  • TD
    Tyler Durden

    Werter Thoma Buck, natürlich haben sie mit ihren Aussagen völlig recht, der Journalismus der Taz gleicht sich, was die Qualität der Artrikel betrifft, den anderen Medien an.

    Geld spielt nun mal ein grosse Rolle, so ein richtig guter, intelligenter, gebildeter Journalist kostet nicht nur viel Geld fürs Gehalt, der wird sich auch des öfteren zu schade sein, um stur jedesmal beim schreiben der politisch korrekte Linie der Taz zu folgen. Die Zeiten in denen jemand noch für PFennige für die Taz schrieb, die sind lange vorbei in unseren heutigen Zeiten, wo der Grundwert, auch dank der Mithilfe der taz, die Habgier ist.

    NIchts desto TRotz, jeder der des enmglischen mächztig geniug ist, sopllte des öfteren:

    http://www.thedailyshow.com/

    glotzen. Gibts umsonst und ganz legal.

    Es muss ja nicht gerade dann sein, wenn OBama mit STewarts Hilfe Wahlkampf macht.

    Dass die beiden Panik haben, wie die Wahlen am DIenstag ausgehen, das kann man nachvollziehen.

  • R
    Riin

    Jon Stewart und linksliberal, ich lache in meinen Gedanken. Als Bush an der Macht war, war der linksliberal, jetzt rückt er leider seit zwei Jahren nach rechts, was aber eher eine Reaktion auf das republikanische Dauerfeuer und die Tea-Party-Bewegung als auf Obama sein dürfte. Trotzdem ist es nicht grade schön, wie er versucht, in "der Mitte" zu bleiben, egal, wie weit diese auch nach rechts rückt. Ich mochte die Show früher lieber.

     

    Obama hat bei diesem Interview definitv die bessere Figur gemacht...

  • AO
    An On

    @Thomas: Ich gucke die Daily Show ebenfalls sehr regelmäßig. Ich sehe zwar, was du meinst. Politiker kommen bei Stewart sehr oft sehr viel schlechter davon, und das ist auch gut so. Ich bin aber der Meinung, dass Stewarts fragen definitiv an der Grenze dessen lagen, was man einen Präsidenten noch fragen darf, ohne dreist zu werden. Dass Obama dabei noch ganz gut weg kam, würde ich eigentlich eher auf sein Argumentationsvermögen schieben. Bei einer Frage schien es Stewart fast leid zu tun, dass er sie gestellt hat.

  • TB
    Thomas Buck

    Lieber Bernd Pickert:

    Es gibt nur zwei Moeglichkeiten: Entweder Sie haben die „Daily Show“ gestern zum ersten Mal gesehen (dann fragt sich warum *Sie* einen Artikel darueber schreiben) oder Sie verzerren absichtlich.

     

    Wer John Stuart regelmaessig schaut, weiss, dass er Obama gestern –im Vergleich zu seinen sonstigen Gaesten- mit Samthandschuhen angefasst hat.

     

    Krittische Fragen und Sarkasmus waren auf ein Minimum reduziert. Was natuerlich OK ist, wenn man den Praesidenten zu Gast hat.

    Nicht OK hingegen ist es, wenn Sie in ihrem Artikel den (von Ihnen frei-erfundenen) Eindruck erwecken, dass sich Obama hier einem konfrontativem Interview utnerzogen hat.

     

    Wer sich selbst ein Bild machen will kann sich die Show auf der ComedyCentral Website anschauen und in Zukunft *Berichte* von Bernd Pickert mit der (leider!) notwendigen Skepsis betrachten.

    Gruss,

    TB

     

    PS. Auch wenn Sie das Wort „hysterisch“ toll finden – Sie benutzen es falsch. In Zukunft vielleicht doch lieber „heftiger Applaus“ und „herzliches Lachen“?!