ORTSTERMIN: BEIM RICHTFEST FÜR DIE OLDENBURGER „SCHLOSSHÖFE“ : Wenn der Branchenmix seinen Schatten voraus wirft
Ein paar Protestler haben sich hinter dem Bauzaun versammelt. Eine rosarote Brille halten sie hoch, weil: Auf der anderen Seite des Zauns werde doch alles nur durch eine solche gesehen und selbst die schaurigste Tristesse noch in den warmen Ton des Optimismus getaucht. Die Protestler haben ein Transparent dabei: „Ist der Ruf erst ruiniert“, steht da drauf, „dann baut es sich ganz ungeniert“.
Mehr Menschen stehen auf jener anderen Seite des Bauzauns: Handwerker, eine ganze Reihe Oldenburger Wichtigs, Halbwichtigs und Unwichtigs, aber mit der rosa Brille und dem Transparent können die da draußen eigentlich nur einen meinen: Oberbürgermeister Fritz Gerd Schwandner, der gerade dabei ist, in einer seiner berüchtigten abgelesenen Reden in den schönsten Worten zu loben, was dort entsteht. Es ist Richtfest des Oldenburger ECE-Einkaufscenters, das derzeit noch aussieht wie ein Geklump aus Beton. „Schlosshöfe“ haben es die Leute von ECE getauft, die europaweit solche Center in die Städte setzen und also genau wissen, dass diese Höfe nur des Wohlklangs so heißen.
In Wahrheit aber wird es hier nie Höfe mit offener Struktur geben, sondern stets nur einen jener riesenhaften Baukörper, die in langen Gängen Filialisten jeder Branche aufnehmen, systemgastronomische Stätten beherbergen – und ab und zu mal eine Modenschau, wegen der Abwechselung. Aber der Name wird sich trotzdem einbürgern, auch dafür werden sie mit 650.000 Euro sorgen, die sie jährlich in die Werbung stecken werden.
Schwandner hat eben dieses Center abgelehnt, so lange er 2006 noch als unbekannter Ex-Grüner auf CDU-Ticket Wahlkämpfer für den Rathausposten war und die in der Stadt spürbare Ablehnung des Centers für sich nutzen wollte. Wenige Wochen nach der Wahl aber unterzeichnete er den Vertrag mit ECE und zählt mittlerweile – wahrscheinlich aber auch schon damals – zu den größten Anhängern konfektionierter Shoppingkultur.
Und das kann er nun genau so ungeniert zum Ausdruck bringen, wie es ihm die Protestler vorwerfen: Die Architektur sei zukunftsweisend, sagt Schwandner also. Das Ding, das er einst Koloss nannte, stelle mitnichten das großherzogliche Schloss in den Schatten, sondern sei Zeichen einer Urbanität, die Oldenburg nun so groß aussehen lasse, wie es tatsächlich sei.
Der Oberbürgermeister ist also begeistert, jedenfalls was die Hülle angeht. Für den Inhalt hat er noch ein paar Anregungen: Ein Starbucks wünscht er sich, weil das Kettencafé aus den USA in jede Großstadt gehöre, einige Modeläden, dessen Namen schon wieder verblasst sind, und – ganz wichtig – „einen Chinesen, der ohne Glutamat kocht“. Da findet Schwandner, der Asienfreak, ganz zu sich.
Fraglich allerdings, ob ihm das Oldenburger ECE seine Träume wird erfüllen können: Der für die Vermietung Zuständige hatte zuvor eine Auswahl an Läden bekannt gegeben, wo ab Frühjahr 2011 – endlich – die 700.000 Kunden aus dem Einzugsgebiet werden einkaufen können. Es ist der von ECE stets angepriesene „attraktive Branchenmix“ aus Ketten, die es in Oldenburg längst gibt. FEZ