ORANIENPLATZ : Keine Fotos
Samstag. Auf dem Oranienplatz stehen Stände, und ich denke, guck an, da gibt’s jetzt also auch einen Markt. Mal sehn, was es da so gibt. Es ist dann aber gar kein Markt, und es sind auch gar keine Stände, sondern Zelte, und in den Zelten wohnen Flüchtlinge. Leute laufen umher. Logisch, was sollen sie auch sonst tun. Ich gehe zum Info-Point, um mir Infos abzuholen.
Der Info-Point ist auch in einem Zelt untergebracht. Hinter einem Info-Tisch stehen zwei Frauen. Eine telefoniert gerade, die andere spricht mit einer Türkin um die vierzig, die sich erkundigt, wie sie helfen kann. Eine junge Frau kommt um die Ecke. Sie hat in der einen Hand einen Teller mit Essen und in der anderen Hand einen etwas älteren Mann mit schwarzen Breitcordhosen. „Der hat hier Fotos gemacht“, sagt sie. Die Info-Frau sagt: „Sie dürfen hier keine Fotos machen.“ Der Mann sagt: „Was?“ „Keine Fotos“, sagt die Frau. Der Mann trägt ein Hörgerät. „Warum?“ „Weil viele Flüchtlinge hier illegal sind“, sagt die Frau, und der Mann sagt: „Was?“ Der Mann will die Flüchtlinge unterstützen und die Sache publik machen. „Nicht fotografieren“, sagt die Frau in Kurzform. „Nein?“ „Flüchtlinge wollen nicht.“ „Ich bin auf ihrer Seite“, sagt der Mann. „Ja, aber nicht fotografieren. Wenn fotografieren, dann bitte unsere Pressestelle anrufen“, sagt die Frau. Der Mann sagt „Was?“ „Pressestelle. Anrufen“, sagt die Frau etwas genervt. „Pressestelle?“, fragt der Mann, und ich frage mich das, ehrlich gesagt, auch. Der Mann will die Info-Wand fotografieren. Die Frau sagt: „Aber ohne uns.“
Auf der Info-Wand hängt ein Zettel mit der Aufschrift: „Wir akzeptieren nicht / we accept not: racism, sexism, homophobia, nationalism and other discriminations / und andere Diskriminierungen.“ Nationalismus als eine Form von Diskriminierung, gar keine schlechte Idee bzw. not a bad idea, denke ich.
KLAUS BITTERMANN