OHNE SOUVERÄNE PATIENTEN GIBT ES KEINE GESUNDHEITSREFORM: Sparen durch Aufklärung
Die Krankenkassen haben Ulla Schmidt schmählich im Stich gelassen. Dabei hatte die Gesundheitsministerin doch nur helfen wollen – unter anderem den Allgemeinen Ortskrankenkassen. Denn wenn deren Konkurrenz, die Betriebskrankenkassen, ihre Beiträge tatsächlich auf 12,5 Prozent hätten erhöhen müssen, dann wären sie für potenzielle Abwanderer aus den anderen Krankenkassen weniger attraktiv geworden. Doch die Freundlichkeiten der Ministerin werden nicht honoriert.
Vielmehr werfen die Nichtbetriebskassen Ulla Schmidt nun vor, allein die Ankündigung einer Abschaffung des Arzeimittelbudgets habe Riesenlöcher in ihre Finanztöpfe gerissen. Die Konsequenz: Landauf, landab stehen Beitragserhöhungen bei Ortskrankenkassen und Ersatzkassen an. Damit ist ein möglicher Effekt des Mindestbeitrages obsolet, denn nach den Beitragsanhebungen beträgt die Differenz zwischen den unterschiedlichen Kassenformen wieder mindestens zwei Prozentpunkte. Ein Grund, warum es am Ende ein Leichtes für die Grünen war, den Mindestbeitrag zu kippen.
Für Ulla Schmidt sieht es nicht nur an der Krankenkassenfront schlecht aus. Auch die Ärzteverbände machen schon wieder Stress. Da hatten vor zehn Tagen die Spitzenverbände der Versicherungen noch so nett mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zusammengesessen, um über neue Regelungen zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben zu reden. Die waren in den letzten Monaten tatsächlich rasant ins Kraut geschossen. Selbstverständlich würde man so schnell wie möglich alles tun, um die Ärzte zum Sparen zu bewegen, versprach die KBV. Doch schon wenige Tage später zogen ihre Vertreter schon wieder Schulter an Schulter mit aufgebrachten Kollegen auf die Straße, um gegen „die Kostendeckelung“ in Gestalt von Arzeneimittelbegrenzungen zu demonstrieren: „Wir sind besorgt um das Wohl unserer Patienten.“ Das sind selbstverständlich auch die Pharmavertreter. Deshalb haben sie gerade mal wieder die Einführung einer Positivliste torpediert, die den wirtschaftlichen Umgang mit dem Rezeptblock erleichtern würde.
Doch was ist eigentlich mit dem Dreh- und Angelpunkt aller Gesundheitspolitik – den Patienten? Die Diskussion bewegt sich in der Regel über deren Köpfehinweg. Oft wissen sie gar nicht, wie teuer eine Behandlung, ein Medikament ist. Viele frönen ahnungslos dem Ärztetourismus – nach dem Motto: Je besser ich mich absichere, desto gesünder bin ich. Sparen durch bessere Aufklärung der Patienten. Das ist auch Qualität der Versorgung. Und es wird nicht nur den Kassen nützen, es würde auch all den Patienten, die teurer Therapien bedürfen, zugute kommen. STEPHANIE VON OPPEN
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