OECD-Studie zu Kinderarmut: Deutschland verplempert Budget
Deutsche Kinder sind besonders oft arm, zeigt eine OECD-Studie. Gelder werden falsch verteilt, besonders Alleinerziehende und Nicht-Berufstätige haben es schwer.
BERLIN taz Deutschland ist das Land der roten Ampeln. Viermal blinkt es rot, als Willem Adema mit dem Zeigestock über die Tabelle auf dem Bildschirm fährt.
Der Experte der Industrieländer-Organisation OECD hat den 30 untersuchten Staaten Ampelsymbole an die Seite gestellt. "Grün" heißt: Mütter und Kinder haben es besser als im OECD-Schnitt. In sechs Kategorien - von "Geburtenrate" bis "Lohngefälle" - will Adema aufzeigen, wie gut in den Ländern die Lage berufstätiger Mütter ist. "In Dänemark leuchten alle Ampeln grün. In Deutschland keine einzige.
Das gibt zu denken." Adema sucht nach Antworten auf ein Phänomen: Einerseits gibt Deutschland mit 3 Prozent einen relativ großen Teil seiner Wirtschaftsleistungen für Familien und Kinder aus. Andererseits leben hier besonders viele Kinder in prekären Verhältnissen. "Deutschland gibt das Geld nicht weise genug aus", sagt Adema. Das Gros der Summe fließe in Kindergeld und Steuererleichterungen. Für Kinderbetreuung bleibe zu wenig übrig. "Deutschland könnte durch mehr Betreuungsplätze die Arbeitsaufnahme von Frauen erleichtern und dadurch die wirtschaftliche Situation für Familien verbessern."
Besorgnis erregt laut Adema vor allem die Situation der Alleinerziehenden. Zwar liegt Deutschland bei der Berufstätigkeit von Frauen insgesamt im Mittelfeld. Anders aber ist die Lage bei Müttern, die ihre Kinder ohne Partner großziehen. Sie sind mit 62 Prozent weit seltener berufstätig als im OECD-Schnitt (71 Prozent). Sie erhalten vom Staat zwar Transfers, sie hätten aber, kritisiert die Studie, kaum Möglichkeiten, durch eigene Arbeit der Armut zu entrinnen. So überrascht es nicht, dass es gerade die Kinder Alleinerziehender sind, die von finanzieller Not bedroht sind.
Überhaupt zeigt die Studie auf, wie folgenreich es sein kann, wenn die Mutter über lange Jahre aus dem Berufsleben aussteigt. Das Armutsrisiko liege bei einem Paar, bei dem beide berufstätig sind, bei nur 5 Prozent, sagt Adema. Hat nur einer der beiden einen Job, ist es dreimal so hoch. Weibliche Berufstätigkeit ist demnach weit mehr als ein Mittel der Selbstverwirklichung. Es ist ein vernünftiger Weg, Kinder wie Eltern vor dem sozialen Abseits zu bewahren.
Auch mit Blick auf eine überalternde Gesellschaft ist es förderlich, wenn in einem Land viele Frauen berufstätig sind. Nur bis 1980 gab es in den Länder mehr Nachwuchs, in denen viele Frauen sich ganz dem Heim und Haus widmeten. Seither hat sich das umgekehrt. In der OECD haben die Länder die höchsten Geburtenraten, in denen auch besonders viele Frauen arbeiten. Auch das wertet OECD-Experte Adema als Indiz, wie eine zeitgemäße Politik ausgerichtet sein soll: "Sie soll Paaren vermitteln: Kinder zu haben ist kein Problem."
Sein Rat: Der Staat soll steuerliche Anreize setzen, auch als Mutter oder Vater im Beruf zu bleiben. Und er muss ein verlässliches Betreuungsangebot schaffen - für Kleinkinder wie für Schüler. Dann wird Deutschland vielleicht künftig doch noch ein Land mit grünen Ampeln.
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