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OB-Wahlen in Potsdam und FrankfurtErmüdungsbruch der Brandenburger SPD

Uwe Rada

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Uwe Rada

Zwei Unabhängige feiern Wahlsiege in Potsdam und Frankfurt (Oder). Die Glaubwürdigkeit der Parteien lässt nach. Das trifft vor allem die SPD.

Wann wird er platzen, der rote Luftballon? Foto: picture alliance/dpa | Bernd Weißbrod

D ie Ergebnisse der Oberbürgermeisterwahlen in Potsdam und Frankfurt (Oder) sind gleich in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Sie zeigen erstens, dass die Zeit der SPD als Brandenburg-Partei vorüber ist. Damit einher geht zweitens eine immer stärkere Hinwendung zu parteiunabhängigen oder parteilosen Kandidatinnen und Kandidaten.

Vor allem für die SPD ist das eine alarmierende Nachricht. Seit 1990 gehörte das Rathaus in Potsdam der SPD. Nach der Abwahl von Mike Schubert wird nun deutlich, wie sehr die Partei bei den Wählerinnen und Wählern an Vertrauen verloren hat.

Nur mit Mühe hat es der Berliner SPD-Import Severin Fischer in die Stichwahl geschafft. In Frankfurt (Oder) landete die Kandidatin der SPD sogar abgeschlagen auf dem letzten Platz – mit einem einstelligen Ergebnis.

Dass die Brandenburgische SPD die rechtsextreme AfD bei der Landtagswahl 2024 noch auf den letzten Metern gestellt hat, ist vor diesem Hintergrund nicht mehr als ein letztes Aufbäumen gewesen.

Statt sich neu zu erfinden und auf frische und unverbrauchte Gesichter zu setzen, tritt die Partei auf der Stelle und schaut sich ängstlich um. Die Wählerinnen und Wähler wollen das – zu Recht – nicht mehr. Es ist ein Ermüdungsbruch, den die SPD als Brandenburg-Partei gerade erleidet. Auch und vor allem in den Kommunen.

Wunsch nach frischem Wind

Entsprechend groß ist die Sehnsucht nach frischem Wind. In Potsdam weht er in Gestalt der von den Grünen nominierten parteilosen Noosha Aubel. In Frankfurt (Oder) gewann mit Axel Strasser sogar ein Einzelbewerber den ersten Wahlgang. Parteien verlieren in den Kommunen nicht nur immer mehr an Bindungs- und Mobilisierungskraft. Eine Parteizugehörigkeit scheint inzwischen sogar ein Malus zu sein. Bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr gehörte in Lieberose sogar erstmals keine Kandidatin mehr einer Partei an.

Das ist ein Trend, der zunächst positiv ist. Kommunale Ämter sind nicht nur wie in Potsdam keine Erbhöfe mehr. Sie sollen, so der Wählerwunsch, von denen besetzt werden, die dafür am kompetentesten scheinen. Den Kandidatinnen und Kandidaten der Parteien wird das oft nicht mehr zugetraut.

Das Beispiel Frankfurt zeigt aber auch, dass dieser Wunsch nach frischem Wind alleine nicht reicht. Es gibt gute Gründe dafür, warum zahlreiche Personen der Zivilgesellschaft, aber auch die Grünen und Ex-OB René Wilke in Frankfurt die CDU-Kandidatin Désirée Schrade unterstützt haben. Als Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung hat sie gezeigt, dass sie eine kompetente Moderatorin ist.

Der Politikneuling Strasser dagegen gehört der SVV nicht an, ist als Stadtoberhaupt aber dringend auf Mehrheiten und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit angewiesen.

Zur Wahrheit gehört deshalb auch: Ein frischer Wind kann schnell zum Gegenwind werden. Zuletzt wurden in Brandenburg zahlreiche, auch unabhängige Inhaber von kommunalen Spitzenämtern vom Hof gejagt.

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Uwe Rada
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.
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