OB-Wahl in Stuttgart: Schwarz und Grün liegen vorn
Falls Kuhn siegt, wäre dies ein Signal: Grüne können auch Großstadt. Für die CDU wäre das die zweite schmerzliche Niederlage nach der Landtagswahl.
STUTTGART taz | Angela Merkel höchstpersönlich will retten, was vielleicht schon nicht mehr zu retten ist. Für den 12. Oktober hat die Bundeskanzlerin einen Wahlkampfauftritt in Stuttgart angekündigt. Für den Fall einer Stichwahl will sie auf diese Weise noch den parteilosen Kandidaten der CDU, Sebastian Turner, unterstützen. Mit ihm hatte die Union gehofft den grünen Siegeszug in Baden-Württemberg stoppen zu können.
Doch der Geschäftsmann und Multimillionär Turner, der sein Vermögen mit Werbefirmen wie Scholz & Friends gemacht hat, scheint bei den Stuttgartern nie richtig angekommen zu sein. Selbst Christdemokraten fremdeln mit ihrem Kandidaten. Ziel war es, schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit zu holen. Die Umfragen deuten vor dem ersten Wahlgang am Sonntag jedoch in eine völlig andere Richtung.
Grünen-Kandidat Fritz Kuhn (30,6 Prozent) und Turner (30,0) liegen zwar nach einer Infratest-dimap-Umfrage vom Südwestrundfunk und der Stuttgarter Zeitung fast gleichauf. Aber nach einer Emnid-Umfrage im Auftrag der Zeitung Kontext, die der taz in Stuttgart am Wochenende beiliegt, würde Kuhn (54,7) eine Stichwahl vor Turner (45,3) klar gewinnen.
Signal über Stuttgart hinaus
Ein Sieg Kuhns hätte eine politische Bedeutung, die über Stuttgart hinausgeht: Die Grünen hätten mit dem Ministerpräsidenten und dem OB der Landeshauptstadt nicht nur die zwei wichtigsten Ämter Baden-Württembergs besetzt. Sie hätten zudem bewiesen, dass sie auch eine Großstadt erobern können.
1996 waren sie bereits kurz davor, den Posten in Stuttgart zu erobern. Damals trat der – nach dem ersten Wahlgang chancenlose – SPD-Kandidat im zweiten Wahlgang aber noch einmal an. Folge: Grünen-Kandidat Rezzo Schlauch verpasste die einfache Mehrheit.
Seitdem gelang der Öko-Partei zwar, andere Städte in Baden-Württemberg zu erobern. Doch das waren mit Freiburg, Konstanz und Tübingen kleinere Universitätsstädte. Die Großstadt Stuttgart wäre jetzt die Krönung.
Für die CDU würde ein Sieg Kuhns die zweite schmerzliche Niederlage nach der verlorenen Landtagswahl bedeuten. Für die Bundestagswahl 2013 braucht Merkel aber ein starkes Ergebnis aus dem einstigen CDU-Stammland Baden-Württemberg.
In den Umfragen abgeschlagen auf Platz drei lag die parteilose Kandidatin der SPD, Bettina Wilhelm. Die 48-Jährige hat Regierungserfahrung als Bürgermeisterin von Schwäbisch Hall gesammelt. Auch sie versuchte in den vergangenen Tagen mit prominenter Unterstützung noch einmal zu punkten. Am Donnerstag kam Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zum gemeinsamen Frühstück. Die Sozialdemokraten hatten schon bei der Landtagswahl den Grünen den Vortritt lassen müssen und knabbern seitdem an ihrer Juniorrolle.
Anmerkung der Redaktion, 8.Oktober 2012
Hannelore Kraft kam aus gesundheitlichen Gründen nicht zum gemeinsamen Frühstück mit Bettina Wilhelm. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Koalitionsvertrag in Brandenburg steht
Denkbar knappste Mehrheit
Verfassungsrechtler für AfD-Verbot
„Den Staat vor Unterminierung schützen“