: O Feurio! Die Haufen rauchen noch!
■ Ostern: Tage des Brauchtums, der Heidenkinder und der freiwilligen Feuerwehr
Schon seit Wochen haben, unterstützt von der Dorfjugend, Mannen der Freiwilligen Feuerwehr Hölzchen und Stöckchen, Kisten und übriggebliebene Weihnachtsbäume zusammengetragen. An tradierten Zeromoniestätten wurde das tote braune Holz zu großen Haufen aufgeschichtet, um an Ostern als Osterfeuer zum Sinnbild des Lebens aufzulodern.
In Bendingbostel, Klein- Heins, Kirchlinteln und Klein- Linteln, Nedden- und Hohenaverbergen frönten die Niedersachsen am christlichen Osterfest wieder dem heidnischen Brauchtum. Die Christen haben ihren Auferstehungsmythos nur den viel älteren, heidnischen Mythen aufgepfropft: Zur Zeit der sommerlichen Tag-und-Nacht-Gleiche wird auf einem großen Scheiterhaufen der Winter verbrannt. Leuchtkraft und Wärme des Feuers beschwören die wieder aufkeimende Natur.
Einiges von dieser archaischen Stimmung ist bei den österlichen Zusammenrottungen im Aller- Weser-Dreieck noch zu spüren. Nach Anbruch der Dunkelheit leuchtet es überall am Horizont rot auf. Vor einem hellen Feuer, um das sich je nach Windrichtung im Halbkreis die Thinggemeinschaft versammelt hat, springen schwarze Gnome umher. Funken stieben beängstigend hoch in den Himmel. Daneben wird so manches Würstchen verbrannt, auch wohl mal ein Schuh oder ein Jackenärmel. Alle starren gebannt mit glühenden Gesichtern ins Feuer, des kalten Rückens ungeachtet.
Wo sonst kann man seinen pyromanischen Gelüsten so ungestört freien Lauf lassen und nach Herzenslust kokeln? Zum Löschen gibt es Bier und Korn. Und wenn es ernst wird, ist schließlich auch die Freiwillige Feuerwehr zur Stelle. Einer mit der großen Feuerpatsche läßt kein Auge von der johlenden Kinderschar. Die übt sich in Mutproben: wer traut sich am dichtesten an den rotglühenden Haufen? Wird bei den Spielchen das trockene Gras in Brand gesetzt, patscht der Feuerwehrmann es sogleich aus. Wo unter den Sprößlingen die eigenen sind, darf geraten werden. Alle sind „schwarzgemacht“, auch so ein heidnischer Brauch: der Ruß von den abgebrannten Ästen sollte vor Krankheit schützen. Wer seine Mutter liebt, macht die natürlich schwarz.
Wenn der Scheiterhaufen abgebrannt ist und nur noch schwach vor sich hinglüht, wenn Frauen und Kinder längst im Bett liegen, halten die letzten Aufrechten von der Freiwilligen Feuerwehr noch Brandwache, bis im Morgengrauen der Osterhase an ihnen vorbeihoppelt. asp
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