piwik no script img

Nutzungsverbot für SoulkitchenSchluss mit lustig

Die Soulkitchen-Halle in Wilhelmsburg darf ab sofort keine Kulturveranstaltungen mehr durchführen. Auch ihre Zukunft ab 2013 sieht düster aus.

Erstmal dicht: Eingangstür zum Veranstaltungsraum der Soulkitchen-Halle. Bild: Klaus Irler

Freitagmittag, Wilhelmsburg: Zwei Männer in einem Mercedes Cabrio fahren die Industriestraße entlang und halten vor der Soulkitchen-Halle, einem Ort für nicht-kommerzielle Kulturveranstaltungen. In der Halle sind die ehrenamtlichen Mitarbeiter gerade dabei, die Abendveranstaltung vorzubereiten: Ab 20 Uhr soll es einen Blues-und-Tango-Tanzabend geben.

Die zwei Männer übergeben den Soulkitchen-Leuten ein Papier auf dem steht: „Anordnung zur Untersagung der Nutzung“. Der Absender der Anordnung ist das Bezirksamt-Mitte und die Herren im Cabrio sind Beamte. Die Anordnung beruft sich auf mangelnde Brandschutzmaßnahmen und Fluchtwege, sie gilt per sofort und ein „Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung“. Es hat sich erst mal ausgetanzt in der Soulkitchen-Halle.

Der Vorgang ist ein vorläufiger Tiefpunkt in der Geschichte des Überlebenskampfes der Soulkitchen-Halle. Vor gut zwei Jahren startete Mathias Lintl zusammen mit Leuten aus der Wilhelmsburger Kulturszene in der Soulkitchen-Halle ein nicht-kommerzielles Veranstaltungsprogramm mit Konzerten, Ausstellungen, Tanz, Film, Diskussionen … Damals hatte die Halle bereits einen gewissen Nimbus: Sie war der Drehort von Fatih Akins Film „Soulkitchen“, der ironischerweise kommenden Montagabend erstmals in der ARD läuft.

Die Geschichte des Films wiederholte sich auf frappierende Weise in der Realität: Die Halle entwickelte sich zu einem charismatischen Ort, einem Ort allerdings, der bedroht ist von den Profitinteressen seiner Eigentümer. In der Realität ist das die Finanzbehörde: Sie will die Fläche vermarkten. Der Vertrag zwischen Behörde und Hallenbetreiber endet zum 1. 1. 2013. Aktuell sei im Gespräch, die Halle abzureißen, um dort LKW-Stellplätze zu bauen, sagt Lintl.

Pikant wäre ein solcher Abriss auch vor dem Hintergrund der Internationalen Bauausstellung (IBA), die 2013 in Wilhelmsburg stattfindet. Die Soulkitchen-Halle setzt ohne Fördermittel genau das um, was die IBA mit vielen öffentlichen Millionen anstoßen soll: „Mithilfe der IBA“ soll in Wilhelmsburg „ein Quartier entstehen, das inspirierende und experimentelle Freiräume bietet“, heißt es in der Beschreibung des „IBA Leitthemas Kosmopolis“.

Die IBA hat die Soulkitchen-Halle in der Vergangenheit politisch unterstützt. Zur aktuellen Anordnung teilt sie mit, man „bedauere, wenn es zu einem Qualitätsverlust in dem interessanten und für den Stadtteil so wichtigen Programm der Soulkitchen-Halle kommen müsste“.

Lintl möchte in den kommenden Tagen die beanstandeten Mängel beheben, soweit dies mit den begrenzten finanziellen Mitteln des Projekts möglich ist. Was die Zukunft des Ortes im Jahr 2013 betrifft, denkt er darüber nach, in der Halle ein Museum einzurichten – das hätte den Vorteil, um die Versammlungsverordnung herumzukommen.

Ein Umzug des Projekts ist nicht in Sicht. Kulturbehörden-Sprecher Enno Isermann sagt, die bisherigen Gespräche über neue Standorte hätten zu keinem Ergebnis geführt. „So sehr die Kulturbehörde die inhaltliche Arbeit in der Soulkitchen-Halle schätzt, so sehr wünscht sie sich ein konstruktiveres Verhalten von Herrn Lintl bei der Lösung der offenen Probleme.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • V
    vic

    Abwarten. Der Pilger ist noch nicht am Ziel...

  • S
    sola

    Also ich hätte keine Lust auf das Geschrei, wenn in der Soulkitchen ein paar Menschen verbrennen, nur weil das Bezirk Mitte gegenüber coolen prekär "Kulturschaffenden" in Wilhelmsburg alle Augen zudrückt. Veranstaltungsräume haben Verantwortung gegenüber den BesucherInnen, und wenn die Veranstalter es selbst nicht auf die Reihe bekommen, ein paar Fluchtwege auszuschildern und ein paar Kabel halbwegs fachgerecht zu verlegen, dann braucht es wohl leider ein Amt, dass per Ansage von oben erstmal Fakten schafft.

  • AN
    Amateur Nerd

    Tja - wer auch immer mit dem Gelände zukünftig Geld verdienen wird - bezahlt wird mit der Attraktivität der Stadt. Kein gutes Geschäft.

  • B
    Brennessel

    Drecks Hamburg mal wieder. Für die Bonzen und deren "KULTUR" wird ein 600Mio.(!) Euro Prachtbau gegen alle Widerstände aus dem Boden gestampft und für Projekte wie die Soulkitchen ist kein Platz.

    Liebe Wilhelmsburger: WEHRT EUCH!

  • A
    aloi

    son mist. Wollten gestern hin. Und jetzt hat die stadt gerade die draussen & egal party gesprengt. Alles umkommerzielles... Scheirs hamburg

  • PW
    Petra Weinstein

    Wie kann es nur angehen, dass in HH kein Platz für solche wirklich innovativen und originellen Kulturplätze ist ? Ich bin entsetzt darüber und wünsche mir, dass die Halle bleibt und noch viele Menschen glücklich macht !