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Nur quadratisch, praktisch

■ Mit den ortsüblichen Steinfassaden gewannen die Architekten Chipperfield, Sawade, Brunelli und andere den Wettbewerb zur Umbauung der Komischen Oper Von Uwe Rada

Von Uwe Rada

Es klang fast wie eine Entschuldigung. „Die Siegerentwürfe“, sagte Boris Prodecca, Wiener Architekt und Juror der Investoren Hanseatica und Wertkonzept, „sind das Beste von dem, was wir zu beurteilen hatten.“ In einer wortreichen und mit zahlreichen Seitenhieben gegen die Berliner Architektur gespickten Laudatio hatte Prodecca zuvor die Kriterien der elfköpfigen Jury für die Umbauung der Komischen Oper rekapituliert: Die Architektur dürfe nicht bloße Fassade sein, müsse sich abheben von der Mimikry historisierender Bilder, müsse gegenwärtig sein, um den historischen Bestand gelten zu lassen.

Steinfassaden gegen suggestive Kraft

Was sich in den Worten Prodeccas wie eine architektonische Manöverkritik ausnahm, kehrte sich im Ergebnis freilich ins quadratisch- praktische Gegenteil. Rund um die Komische Oper soll es nach den Entwürfen der Architekten Chipperfield, Sawade, Hilmer & Sattler und Brunelli künftig zwar weder Stuckornamente noch wilhelminischen Kulissenkitsch geben. Doch mehr als die ortsübliche Natursteinverkleidung für Stahlbetonschachteln sucht man auch an der „Lindengalerie“ vergebens.

Der Wettbewerb der potentiellen Investoren Hanseatica und Wertkonzept, dessen Ergebnis gestern im „Haus Pietsch“ Unter den Linden vorgestellt wurde, ist aus seinem virtuellen Stadium freilich noch nicht heraus. Mit der Hanseatica, der auch der frühere FDP- Chef Walter Rasch angehört, und der Wertkonzept konkurriert auch der Münchner Investor Walter Eder um die Bebauung des Geländes an der Komischen Oper. Dessen Architekt Christoph Langhof hat bereits seit längerem einen Entwurf für ein „Opernforum“ mit sieben gläsernen und futuristischen Stadtpalais vorgelegt, dessen suggestive Kraft auch die Konkurrenz nicht ignorieren konnte. Der Architektenwettbewerb für die „Lindengalerie“ ist aber auch eine Antwort auf die Kritik, die der Vorgängerentwurf von Walter Sawade und Klaus Theo Brenner wegen seiner großformatigen Monotonie einstecken mußte. Aus diesem Grunde sollte nun auf der Grundlage einzelner Parzellen neu geplant werden.

Daß die Neuplanung dabei durchaus zur rechten Zeit kommt, ist den Investoren für die „Lindengalerie“ wohl bewußt. Anders als Eder und Langhof setzen die fünf Siegerarchitekten der Hanseatica/ Wertkonzept nämlich von Anfang an auf den Erhalt der bestehenden Operngebäude. Und von denen wurde mit dem Gebäude Unter den Linden 41 erst vor kurzem eines unter Denkmalschutz gestellt.

Zwar hat die Denkmalentscheidung den unerwünschten Nebeneffekt, daß die mit der Parzellierung angestrebte städtebauliche Vielfalt nur an der Glinkastraße denkbar ist. Doch diese Vielfalt ist im vorliegenden Entwurf — trotz teils vertikaler, teils horizontaler Ausrichtung der Fassaden und flatternder Trauflinie — ohnehin mehr Anspruch als Wirklichkeit.

Entscheidender ist jedoch, daß mit der Denkmalentscheidung die Chancen für die „Lindengalerie“, für die es bereits einen Bauvorbescheid gibt, erheblich gestiegen sind. Das alternative „Opernforum“ sieht nämlich nicht nur den großteiligen Abriß an der Behrenstraße, sondern auch den der nun denkmalgeschützen „Linden“- Seite vor.

Und noch ein Drittes wurde mit dem gestrigen Wettbewerbsergebnis deutlich. Mit dem Zuschlag für die im Berliner Architektenkartell etablierten Architekten Hilmer & Sattler und Sawade dürfte die Architektur dieser Provenienz auch künftig der kleinste gemeinsame Nenner sein, auf den sich die Verfechter der Moderne und ihre preußisch-verstuckten Gegenspieler einigen können.

Kompromiß zwischen Moderne und Stuck

Ob der gestern vorgestellte Entwurf tatsächlich gebaut wird, hat nun der Senat zu entscheiden. Zwar will man man noch die Verfassungsbeschwerde Eders gegen eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugunsten der Hanseatica/Wertkonzept abwarten. Doch die Teilnahme der Staatssekretäre Stimmann und Arndt in der Jury für die „Lindengalerie“ läßt wohl keinen Zweifel daran, zu wessen Gunsten sich das Blatt gewendet hat.

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