piwik no script img

Nur nicht zuviel Geld in Umlauf bringen

■ Die Bundesbank will im nächsten Jahr die Geldmenge langsamer wachsen lassen / 1993 allerdings klaffen Ziel und Wirklichkeit auseinander: Trotz schrumpfender Wirtschaft gibt's mehr Geld als geplant

Frankfurt/Main (taz/dpa/AP) Wieviel Geld braucht Deutschlands Volkswirtschaft im nächsten Jahr? Nach Meinung der obersten Bundesbanker nicht ganz soviel mehr, wie in diesem. Sie bestimmten gestern, wie jedes Jahr zur Weihnachtszeit, wie stark die Geldmenge M3, zu der neben Bargeld und Spareinlagen Termingelder und Sichteinlagen gehören, wachsen darf: um vier bis sechs Prozent. Dieses sogenannte Geldmengenziel dient der Bundesbank als Richtschnur für ihre Zinspolitik, mit der die Inflationsrate klein und die D-Mark stabil gehalten werden soll.

Das neue Ziel liegt um 0,5 Prozent unter dem für 1993 angepeilten Wachstum. In diesem Jahr allerdings wird das Wachstumsziel voraussichtlich verfehlt. Denn im November übertraf die Geldmenge M3 ihren Stand von Ende 1992 um 7,2 Prozent. Weil es also schon mehr Geld gibt, als der Zentralbankrat, das oberste Entscheidungsgremium der Bundesbank, will, soll M3 künftig langsamer wachsen.

Der Jahresplan der Bundesbanker wird ohnehin nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent erfüllt. Seit 1975 wurde das Geldmengenziel zehnmal eingehalten und neunmal verfehlt. Ein realistisches Ziel für das Geldmengenwachstum zu finden, fällt vor allem deshalb schwer, weil niemand genau weiß, wie sich die Wirtschaft künftig entwickeln wird. Wenn die Rezession anhält, würde eine schnell wachsende Geldmenge nur die Inflation anheizen. Für den Fall, daß die Wirtschaft 1994 doch wieder wachsen wird, müßte andererseits aber ausreichend Geld als Schmiermittel für die Konjunktur vorhanden sein. Die Bundesbank schloß sich in diesem Abwägungsprozeß nicht den optimistischen Prognosen der Wirtschaftsforscher des Münchner Ifo-Instituts an, die im Frühjahr mit einem Wirtschaftsaufschwung rechnen. Die Bundesbank gehe für das kommende Jahr von einem langsameren nominalen Wachstum des Sozialprodukts aus als 1993, sagte Tietmeyer. „Das langsamere Geldmengenwachstum ist kein Signal für eine restriktive Zinspolitik“, betonte Tietmeyer ausdrücklich. Die Bundesbank werde den Spielraum für weitere Zinssenkungsschritte im kommenden Jahr „vorsichtig ausloten“, bevor sie den nächsten Trippelschritt wagt.

Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP), der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) und der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken lobten den Geldmengenbeschluß des Zentralbankrats. Er ermögliche eine ausreichende Ausstattung auch einer wieder wachsenden Wirtschaft mit Geld bei gleichzeitiger Rückführung der Preissteigerungsrate, meinte Rexrodt. dri

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen