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■ StadtmitteNur eine kleine Ermutigung...

Vier Polizisten standen vergangene Woche wegen Körperverletzung im Amt vor Gericht. Beim Urteil wurde die Richterin politisch: Große Nummern auf den Uniformen hätten das Verfahren erleichtert. Ob diese Anregung beim Senat Anklang findet, darf man bezweifeln – trotz des positiven Verlaufs des hessischen Versuchs mit Namensschildern. Dabei sprach die Richterin durchaus zugunsten der beiden freigesprochenen Polizisten. Daß diese nämlich mit den Prügelszenen nichts zu tun hatten, hätte sich schneller klären lassen.

Daß aber zwei weitere Polizisten verurteilt wurden, hatte kaum noch jemand erwartet. Hatte doch der Staatsanwalt nach bewährtem Muster Freispruch für alle vier beantragt: Die Handlungen der Polizisten wären rechtmäßig, wer verletzt wird, ist selber schuld, weil er sich den Anordnungen der Polizei widersetzt hat; und soweit Aussage gegen Aussage steht, glaubt man dem deutschen Beamten und nicht dem radebrechenden Ausländer. Soweit Zweifel verbleiben, müssen diese nach der Strafprozeßordnung zugunsten des Angeklagten zum Freispruch führen.

Nach diesem Schema wurden im Jahr 1992 fast alle der 591 Ermittlungsverfahren gegen Polizisten wegen des Vorwurfs von Übergriffen eingestellt. Und die restlichen 19 angeklagten Beamten wurden sämtlich freigesprochen. Fassungslos stellen insbesondere Ausländer fest: Wo sie nach Gerechtigkeit suchen, finden sie den Rechtsstaat; wo sie ihr Recht einfordern, bekommen sie ein Urteil. Vor einem Jahr konnte Innensenator Heckelmann deshalb stolz verkünden, daß sich Vorwürfe über rassistische und kriminelle Übergriffe in keinem Fall bestätigt hätten.

Seitdem häufen sich die Vorwürfe; amnesty international und SOS-Rassismus dokumentieren, und das ZDF-„Kennzeichen D“ setzt es ins Bild: Ausländer werden oft schikanös kontrolliert und beim geringsten Anlaß festgenommen. Sprachschwierigkeiten und Vorurteile wirken sich aus. Zeugen gibt es fast nie, und auf den Corpsgeist ist Verlaß.

Daß zwei Beamte verurteilt wurden, lag nach der Urteilsbegründung auch daran, daß das verprügelte türkische Ehepaar im mittleren Alter steht, bürgerlich und auf den ersten Blick gar nicht wie Türken, schon gar nicht wie „Chaoten“ aussah. Deshalb ist dieses Urteil für alle Ausländer, die auch wie Ausländer aussehen, wenig Ermutigung – selbst wenn es die Berufung der Polizisten übersteht. Hans-Joachim Ehrig

Rechtsanwalt, Notar und langjähriger Vorsitzender der Vereinigung Berliner Strafverteidiger.

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