piwik no script img

Nun auch beim 'Spiegel‘: Stasi-Verdacht

Berlin (taz) — Die schärfsten Kritiker der Elche sind selber welche: Die – 'Spiegel‘-Chefredaktion ergriff gestern die Flucht nach vorn, Mitarbeiter des Berliner Büros machten sich flugs an die Recherche in eigener Sache: Ihr Leiter Diethelm Schröder (60) wird verdächtigt, jahrelang für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gearbeitet zu haben. Diese Vorwürfe erhob gestern abend das ARD-Magazin Panorama. Stunden vor der Sendung erklärte das Hamburger Nachrichtenmagazin, Schröder bestreite alles und habe um Beurlaubung gebeten. Mit ungewöhnlicher Einsilbigkeit hieß es, ein Ermittlungsverfahren mit ähnlichen Vorwürfen gegen Schröder sei 1966 eingestellt worden. Der Verdacht, die Stasi habe sich selbst im 'Spiegel‘ enttarnt oder alte Freunde von dem just diese Woche im Blatt schwer belasteten Lothar de Maizière hätten sich gerächt, ist falsch. Gleichwohl scheint der 'Spiegel‘ jahrelang ein hochkarätiges U-Boot bezahlt zu haben. Anfang der 60er arbeitete Schröder für mehrere Lokalzeitungen in der mit US-Basen gespickten Region des Hunsrücks. 1964 wurde er festgenommen und zwei Tage von der Sicherungsgruppe Bonn vernommen. Vorwurf: Militärspionage. Für einen Haftbefehl reichte es nicht. 1974 kam Schröder zum Bonner 'Spiegel'-Büro und galt dort bis zu seinem Wechsel in die Hamburger Zentrale als „der Bundeswehrspezialist schlechthin“. Just in dieser Zeit — so mehrere Zeugen in Panorama — soll Schröder „als sehr wichtiger Mann“ militärische und militärpolitische Informationen an die Stasi geliefert haben. Wegen drohender Enttarnung habe die DDR ihn dann aus dem Verkehr gezogen. Seit 1987 im „Deutschland I“-Ressort des Blattes für die DDR zuständig, hoffen Kollegen immer noch, Schröder habe in dieser Funktion „keinen Schaden angerichtet“. Seit 17. September 1990 amtiert Schröder im Berliner Büro. Im Oktober leitete die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft gegen Schröder ein Ermittlungsverfahren wegen Agententätigkeit ein. Kein Zweifel: Ein enthüllender Treffer gegen das Flaggschiff des Enthüllungsjournalismus. peb

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen