Nürnberg entlässt Trainer Hans Meyer: Das Ende des Foppers
Hans Meyer muss den 1. FC Nürnberg verlassen, obwohl er den "Club" vor nicht allzu langer Zeit zum Pokalsieg und in den Europapokal geführt hatte. Aber das war wohl ein Teil des Problems.
Es ist noch kein Jahr her, da wurde der Präsident des 1. FC Nürnberg, Michael A. Roth, von Reportern des Fußballmagazins 11 Freunde gefragt, wann sich der Trainer Hans Meyer zu Schulden kommen lassen müsste, damit Roth, Vereinspatriarch alten Schlages, noch einmal zum Trainerkiller werden würde. Antwort: "Absteigen." Es ging dann doch viel schneller. Meyer wurde am Montagabend mitten in der Saison entlassen. Nachfolger wird Thomas von Heesen.
Der Club steht auf Platz 16. Mit nur einem Sieg könnten die Nürnberger die Abstiegsränge verlassen. Doch Roth hat offenbar die Contenance verloren, dabei wurde Meyer vor nicht allzu langer Zeit in den Rang eines Gurus gehoben. Er sicherte den Franken den Pokalsieg. Der Italiener auf dem Club-Gelände kreierte eine Hans-Meyer-Pizza (9,80 Euro), und die Fans hegten messianische Verehrung für den Ostler.
Bereits beim Uefa-Cup-Spiel am Donnerstag bei Benfica Lissabon soll Thomas von Heesen auf der Bank des DFB-Pokalsieger sitzen. "Ich halte ihn für einen sehr guten Trainer, der mit dem Abstiegskampf vertraut ist", sagte FCN-Präsident Michael A. Roth. Von Heesen erhält einen bis zum 30. Juni 2009 datierten Vertrag, der auch für die 2. Liga gilt. Heesen war zuletzt Trainer von Arminia Bielefeld. Die Ostwestfalen rettete er nach dem Erstliga-Aufstieg 1999 zweimal vor dem Abstieg. "Er war unser Wunschkandidat", sagte FCN- Sportdirektor Martin Bader. Die bereits am Sonntagabend vorbereitete Entscheidung gegen den 65-jährigen Meyer und für seinen 15 Jahre jüngeren Nachfolger "war ein einstimmiger Beschluss von Präsidium und Aufsichtsrat. Wir mussten auf die sportliche Talfahrt reagieren." Auch Co-Trainer Jürgen Raab, der am 9. November 2005 mit Meyer an den Valznerweiher gekommen war, muss gehen.
Nun gut, Meyer wusste um die Mechanismen im Fußballgeschäft. Selber sprach er davon, heute auf den Sockel gehoben und morgen "angepisst" zu werden. Dass er so schnell zum Opfer seiner Ahnung werden würde, das überrascht, war man doch nach dem Pokalsieg davon ausgegangen, Meyer wäre - gefühlt - mit einem Vertrag auf Lebenszeit ausgestattet worden. Meyer ist freilich Dialektiker. Er unterschrieb nur einen Kontrakt bis 2009, wohl wissend um die zyklischen Bewegungen im Ball-Business.
Meyer schien mit zunehmendem Alter (er ist jetzt 65) eine immer kürzere Wirkdauer zu haben. Das lag nicht an seinen unbestreitbaren Fähigkeiten als Trainer, sondern am Entwurf seiner Aura. Er foppte die Medien, nasführte mitunter das eigene Vereinsmanagement und widerlegte das Vorurteil, Besserwisser hätten nur aus westdeutschen Gefilden zu kommen. Oft sprach er vom hohen Ross zu den Gefolgsleuten, gewiss nicht ohne Grund. Er hatte es als DDR-Coach geschafft, brauchte nicht wie Ede Geyer das ostdeutsche Biotop, um erfolgreich zu sein, und er führte, wenn er ein Mikro in der Hand hielt, keine drögen Parteitagsreden wie sein Kollege Bernd Stange.
Dass sich aber in Meyers Umfeld zuletzt etwas verändert hatte, war seinem Tonfall anzumerken. Weniger schulmeisterlich fertigte er die Leute ab, plötzlich ließ er sich mit Reportern auf ein "normales" Gespräch ein, ohne die Meyerschen Idiosynkrasien und Unterhaltungsbemühungen. Das wirkte erfrischend. Es hätte der Anfang einer Nürnberger Phase der Rekonvaleszenz werden können.
Möglicherweise ist Meyer aber auch schlichtweg zum Opfer seines eigenen Könnens geworden: Er hat den Club dahin geführt, wo er strukturell nicht hingehört - in den Europapokal. Plötzlich musste Nürnberg, der kleine Mittelständler der Liga, über das Kerngeschäft hinaus Eindruck schinden und mithalten. Das ging daneben. Der Club hatte sich verhoben. Meyer hat das erkannt und sich nicht groß gegen die Beurlaubung gewehrt.
Es werden nun ein paar Monate vergehen, dann wird sich ein Verein in prekärer Lage eines Rentners entsinnen, der das Zeug zum Retter hat. Hans Meyer wird die Rosenschere beiseite legen und Gutes tun. Gehen Sie getrost davon aus!
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