: „Notwehr ist unbestritten“
■ Die Frauensenatorin Anne Klein berichtete auf einer Pressekonferenz über ihre Reise nach Zypern zum Prozeßbeginn gegen zwei Berlinerinnen
Als „wichtig und erfolgreich“ bewertete Frauensenatorin Anne Klein gestern ihre zweieinhalbtägige Reise nach Zypern zum Prozeßbeginn gegen die Berliner Lehrerin Ute Loh (48) und ihre 20jährigen Tochter Melanie. Die beiden Frauen stehen wie berichtet - im türkisch besetzten Teil Zyperns wegen gemeinschaftlichen Totschlags an dem 20jährigen türkischen Zyprioten Özmen Tulga vor Gericht. Nach Darstellung der Frauen geschah die Tat in Notwehr, nachdem der 20jährige Tulga im Zelt der Urlauberinnen Ute Loh niedergeschlagen und Melanie Loh vergewaltigt habe. Der ursprünglich gegen die Frauen erhobene Mordvorwurf war am ersten Prozeßtag fallengelassen worden (siehe taz von gestern).
Anne Klein war vor der Fahrt nach Zypern von Teilen der Medien heftig kritisiert worden, die Reise sei mehr eine „ideologisch gefärbte“ PR-Aktion, als das sie dem Anliegen der Frauen diene. Ohne auf diesen Vorwurf direkt einzugehen, begründete die Senatorin die Reise gestern damit, sie habe einen „politischen Akzent“ setzen wollen, um zu verdeutlichen, daß die Interessen der Frauen vom neuen Senat „parteiisch wahrgenommen“ würden. Die Reise sei auch deshalb als „Signal“ gemeint um deutlich zu machen, daß es sich hier um kein gewöhnliches Verbrechen handele, weil die Opfer zu Tätern geworden seien. Daß ein Täter „in unserer Rechtsgeschichte“ so zu Tode gekommen sei, habe sie selbst „noch nie gehört“, sagte Anne Klein. Auf die Frage, ob es nicht auch genügt hätte, eine versierte Rechtsanwältin als Vertreterin zu entsenden, verwies Klein darauf, daß sich die türkisch-zypriotischen VerteidigerInnen der Angeklagten einer entsandten Rechtsanwältin gegenüber auf ihre Schweigepflicht berufen hätten. Die Senatorin schilderte, daß sie sich mit den VerteidigerInnen sehr detailliert über die Rechtslage und das praktizierte angelsächische Rechtssystem unterhalten habe: „Die Notwehr ist nach der Aktenlage unbestritten, geklärt werden muß nur noch die Frage, ob das Maß der Verteidigung der Frauen verhältnismäßig war“, sagte Klein. Die Prognose sei nach Einschätzung der Anwälte aber „sehr positiv“. Das gegen die Frauen gleichzeitig anhängige, aber abgetrennte Verfahren wegen des Besitzes von 50 Gramm Haschisch, sei von geringer Bedeutung, weil Marihuana von den türkischen Zyprioten selbst angebaut und geraucht werde.
Als „durchaus positiv“ bezeichnete Anne Klein auch die Stimmung in der Bevölkerung in bezug auf „die Tat“. Die Leute, mit denen sie sich unterhalten habe, verstünden nicht, weshalb die Frauen überhaupt inhaftiert seien. Nach Kenntnis der Senatorin gab es auf Zypern bisher nur „einen“ einzigen Vergewaltigungsprozeß, weil Vergewaltigungen nicht angezeigt würden. Möglicherweise würden andere Touristinnen durch den Prozeß gegen die Berlinerinnen ja ermutigt, „dort beruhigter“ zu reisen. Um die Famile des Toten nicht zu bedrängen, habe sie davon Abstand genommen, seiner Mutter ihr Mitgefühl auszusprechen, sagte Klein. Sie wolle der Frau aber einen Brief zukommen lassen. Zum Inhalt ihres zweistündigen Gesprächs mit Ute und Melanie Loh wollte sich die Senatorin nicht weiter äußern. Die Haftbedigungen der Frauen seien im Verhältnis zur hiesigen Situation in U-Haft als „sehr großzügig und menschlich“ einzuschätzen.
plu
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