Notizbuch: Salters Leidenschaft für das Fliegen
In der aktuellen Ausgabe der New York Review of Books steht ein letzter, schöner Text von James Salter. Der am 19. Juni gestorbene Autor muss ihn kurz vor seinem Tod geschrieben haben – jetzt hat er tatsächlich etwas von letzten Worten.
Auf der Oberfläche ist der Text eine Buchbesprechung, Salter beschäftigt sich mit der Doppelbiografie „The Wright Brothers“ von David McCullough (Simon and Schuster, 320 S., 30 $). Tatsächlich aber geht es um eines seiner Lebensthemen, um die Leidenschaft für das Fliegen. In dem Artikel vollzieht er nach, wie die Brüder Wilbur und Orville Wright es geschafft haben, sich, als das 20. Jahrhundert in den Säuglingsjahren lag, in die Luft zu erheben. Er erzählt von ihrem kühnen Plan, von Schwierigkeiten – Unfälle, Windverhältnisse, Mückenschwärme – und Triumphen.
Wenn man Salters 1956 erschienenen Debütroman „Jäger“ gelesen hat, fühlt man sich in dem späten Text wie zu Hause. Die Lakonik ist da, in jedem Satz. Und wie in dem Roman, der Erlebnisse als Kampfpilot im Koreakrieg verarbeitet, interessiert sich Salter auch in seiner Besprechung für die sozialen Hintergründe und die Praxis der Fliegerei. „Jäger“ spielt viel in Offizierscasinos, die Rangkämpfe unter den Piloten spielen eine ebenso große Rolle wie die Luftkämpfe. In der Besprechung wird der Zusammenhalt des Brüderpaars, es gab noch eine Schwester, die den jeweils Verunglückten pflegte, sehr deutlich.
Es ist interessant, neben diesen Text Kafkas berühmte frühe Flugschilderung „Aeroplane in Brescia“ zu lesen. Kafka übersetzt das Zuschauen in ein Wahrnehmungsabenteuer, Salter dagegen bleibt cool, sachlich. Piloten müssen cool sein. Kafka ist nie geflogen. Wahrscheinlich hätte ihn in seiner Wahrnehmungskunst die Vielzahl der Eindrücke schlicht überfordert. Und er wäre abgestürzt. Es gibt Pilotenprosa und Zuschauerprosa. Salter schrieb großartige Pilotenprosa. drk
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