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Norwegens neuer NationalheldAlle lieben Drillo

"Das ist seit Adolf Hitler nicht passiert": Nach dem 1:0-Sieg über Deutschland wird der norwegische Nationaltrainer Egil Olsen gefeiert. Er soll nun doch länger bleiben.

Der DFB-Elf sei Dank: Egil "Drillo" Olsen darf wohl Nationaltrainer bleiben. Bild: dpa

STOCKHOLM taz Es herrscht wieder "Drillo"-Fieber in Norwegen. "Gute alte Drillo-Magie", schwärmt die Osloer Tageszeitung VG. "Nun wird Drillo es ihnen zeigen!", lautet die hoffnungsvolle Schlagzeile der Boulevardkonkurrenz Dagbladet. Wenn eine norwegische Elf schon Deutschland besiegt habe, was immerhin "seit Adolf Hitler nicht passiert" sei, dann könne sie wohl auch Mannschaften wie Schottland, Mazedonien und die Niederlande packen. Und hätte man mit "Drillo-Fußball" vielleicht doch noch eine Chance auf eine Südafrika-Fahrkarte?

Auf den 66-jährigen Egil "Drillo" Olsen hatte der norwegische Fußballverband vor einigen Wochen eigentlich nur als vorübergehende Verlegenheitslösung zurückgegriffen. Als im Dezember Åge Hareide aufgab, mit dem Norwegen es geschafft hatte, im Jahre 2008 kein einziges Spiel zu gewinnen, kam Olsen. Wie verzweifelt die Situation vor dem Spiel war, wird daran deutlich, dass sogar Lothar Matthäus als Nationalcoach ins Gespräch gebracht wurde. Doch nun soll Drillo es bringen. Spiegeln die Spontanumfragen vom Donnerstag Volkes Stimme auch nur einigermaßen wider, dann wollen drei von vier Norwegern dem Mann einen langfristigen Vertrag geben. Bisher war vorgesehen, dass Olsen die Nationalelf gerade einmal über drei Vorbereitungsspiele betreut.

Der einstige Starcoach, der seinen Spitznamen wegen der Dribbelkünste in seiner aktiven Zeit trägt, lässt es selbst etwas ruhiger angehen, schließlich habe Norwegen mit ihm als Trainer schon Brasilien, Italien und die Niederlande geschlagen, da sei Deutschland zwar ein ganz netter, aber auch kein sensationeller Skalp, wiegelt er ab. Das 1:0 in Düsseldorf war der siebenundvierzigste Sieg einer norwegischen Elf mit Egil Olsen als Coach. Nur sechzehnmal verlor das Team unter seiner Regie zwischen 1990 und 1998, meist mit einer Betondefensive, aus der heraus man auf Gelegenheit für schnelle Konter mit langen Bällen wartete. Nicht besonders schön anzusehen, aber effektiv. Und man qualifizierte sich damit für die Weltmeisterschaften in den USA (1994) und Frankreich (1998). Vorher hatte es das für eine norwegische Elf zuletzt 1938 und nachher nur noch für die Frauen gegeben.

Fußballprofessor Olsen, der zwischen seinen Perioden als Trainer seit 1974 immer wieder an der norwegischen Sporthochschule unterrichtete, setzte gegen Deutschland auf seine altbewährte Taktik. Dabei galt sein 4-5-1-System schon in den Neunzigerjahren als veraltet. Nach seiner Zeit als Nationaltrainer war Drillo damit auch alles andere als erfolgreich gewesen. Auch führte "The Mad Professor", wie die britische Presse ihn nannte, die Elf von Wimbledon in der Saison 1999/2000 schnurgerade aus der Premier League abwärts in Liga zwo. Im September 2007 hatte er überraschend den Job als irakischer Nationaltrainer angenommen.

Was viele seiner Genossen - Olsen ist bekennender Maoist - gar nicht passend fanden. "Sich dem Fußballverband eines Landes zur Verfügung zu stellen, dessen Regierung nur dank einer fremden Okkupation an die Macht gekommen ist, sich mit großen Teilen seines eigenen Volkes im Krieg befindet und seine Existenz auf die Truppen und Bajonette der Besatzungsmacht stützt", sei nicht in Ordnung, warf ihm damals die linke Tageszeitung Klassekampen vor. Sie verzieh ihm aber doch: Schließlich müsse der Mann ja finanziell irgendwie über die Runden kommen. Und das Engagement war nicht langfristig: Nach sechs Monaten wurde er wegen Erfolglosigkeit entlassen.

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