: Norman Bates mordet jetzt in Farbe
■ Neu im Kino: Der Regisseur Gus van Sant hat Hitchcocks „Psycho“ kopiert
Warum macht ein Regisseur so etwas? Warum kopiert er einen Klassiker der Filmgeschichte und verbietet sich selbst dabei jeden eigenen kreativen Impuls? Penibel und Szene für Szene hat Gus van Sant Hitchcocks „Psycho“ noch mal gedreht. Mit Remakes haben wir uns über die Jahrzehnte schon genug abmühen müssen. Aber van Sant nennt sein „Psycho“ einen „Anti-Remake-Film“. Er will nichts den jetzigen Sehgewohnheiten anpassen und hat so einen Experimentalfilm gemacht. Den haben die tief in der Krise sitzenden Universal-Studios finanziert und prompt mit knapp 20 Millionen eingespielten Dollars einen Flop gelandet.
Das Experiment wird aber in die Filmgeschichte eingehen: So etwas hat noch nie jemand gewagt – und das aus gutem Grund. Wen soll solch ein Film interessieren? Die jungen Kinogänger sind heute ganz andere Thrills gewohnt. Für dieses Publikum wirkt der neue „Psycho“ (der zu seiner Zeit so schockierte und polarisierte wie in den 90ern „Natural Born Killers“) bieder, langatmig erzählt und altbacken.
Und die Cineasten sind verärgert bis irritiert. Wenn van Sant tatsächlich ganz genau – Bild für Bild – nachgedreht hätte, wäre das Experiment zumindest interessant gewesen. Aber so gibt es viele Kompromisse, die die Aura von „Psycho“ schnell verschwinden lassen. So hat van Sant in Farbe gedreht, und dadurch verliert der Film seine klaustrophobisch düstere Grundstimmung. Es gibt auch ein paar unbekleidete Körperteile mehr zu sehen, und gerade die berühmte Duschszene verliert dadurch ihre Wirkung. All das sind Patzer, die eine „werktreue“ Kopie zwangsläufig verderben.
Auch das Problem der Schauspieler war kaum zu lösen. Anne Heche ist als Marion Crane immerhin ein glaubwürdiges Opfer. Viggo Mortensen äfft dagegen hemmungslos Anthony Perkins nach: Bei jedem seiner Auftritte scheint er ein großes Schild mit der Aufschrift „Schauspieler bei Schwerstarbeit“ um den Hals zu tragen, während Perkins durch seine linkische, ganz zurückgenommene Art so subtil bedrohlich wirkte.
Nur auf einer Meta-Ebene hat „Psycho 99“ einen, wohl eher unfreiwilligen Hitchcock-Touch: Ein Regisseur, der sich selbst fast völlig verleugnet, hätte in einem Drehbuch den Meister des Makabren sicher interessiert. Wilfried Hippen
CinemaxX, Ufa-Palast, UT-Kino
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