■ Normalzeit: Das Elend mit den Promis
Am Buffet der Sommerakademie der Künste: Dennis Hopper – wenig gierig, Pornostar Chicciolina – wie immer in Weiß mit Blütenkranz im Haar, Peter Lilienthal – hoch zufrieden, Otto Sander – Skatregeln paukend, Michel Friedman – schwer hektisch, mit Handy und Bodyguards hin und her hastend.
Eine junge Frau, die früher beim World Wildlife Fund arbeitete und jetzt zum Spiegel will, fragt mich: „Hast du auch eine Einladung zur Merve-Verlags- Fete?“ Ich habe sie schon öfter an ähnlichen Hot Spots getroffen, stets ging es um irgendwelche Halbberühmtheiten, Connections und Promi-Projections. Als mich kurz darauf auch noch ein SFB-Redakteur fragt, ob ich neulich auf der Price-Waterhouse- Party war (nein) und warum ich nicht im Prominenten-Sonderzug zum „Golf- und Countryclub Motzen“ mitgefahren bin, komme ich vollends ins Grübeln – über diesen unseligen Hang der Halbintellektuellen zu Prominenz-Nähe und -Canapés.
Unselig, weil es ihnen doch darum gehen sollte, soziale Phantasie durch Kenntnis aller ökonomisch und sonstwie sich abstrampelnden Schichten/Gruppen der Stadt zu entwickeln. Da lob' ich sogar diese blöde Klatschspalte in der Berliner Zeitung, in der man kurz und knapp erfährt, welcher Promi gerade in welchem Tophotel abgestiegen ist. Die Rentnerin unter mir und nicht nur sie liest derlei Quatsch am liebsten, „weil“, so sagt sie, „man doch informiert sein muß, was sich in der großen Welt so tut!“ Über andere soziale Gruppen informiert sie sich höchstpersönlich: Im Park über die jugoslawischen Asylanten, im Club der Volkssolidarität über die alten Leute, in der Straßenbahn über die martialisch aussehenden Jugendlichen beiderlei Geschlechts, im „Konsum“ über die Einkaufsgewohnheiten ihrer Mitmenschen und die neuen Arbeitsbedingungen der einst privilegierten Verkäuferinnen, bei Rewatex über den letzten Stand des Terrors der Vermieter. Sie sucht nicht die Nähe der Berühmten, um die herum stets ein paar TV-Teams helles Licht verbreiten. Es reicht ihr, täglich ein paar bekannte Namen zum Frühstück serviert zu bekommen: „Da kann man doch immer gut mitreden!“
Die zukünftige Spiegel-Frau mit Doktortitel dagegen richtet ihr ganzes Leben nach diesen Klatschspalten aus, das geht bis hin zum Make-up und ihrer Urlaubsgestaltung. Und wenn es sich pekuniär umsetzen läßt, also mit steigendem Einkommen einhergeht, dann ist das eine komplette Lebensplanung. Ist das nicht elendig? Vor Jahren haben wir uns über Christoph Stölzl amüsiert, den Direktor des Historischen Museums, der, aus München kommend, sich eifrig bemühte, in dieser Stadt den roten Faden nach oben zu finden, den es aber nicht gab, da Berlin sich durch mehrere Wichtig-wichtig- Zentren auszeichnete. Jetzt tun es ihm immer mehr Newcomer nach.
Speerspitze dieses Drangs, mit Cocktailglas im Stehen, nur durch Unsinnbrabbeln nach oben zu gelangen, sind Monika Zimmermann (tsp) und Georgia Tornow (Berliner Zeitung), aber auch die Ost-Kulturfrauen der Wochenpost sind schwer am Ball („Das schönste Lokal der Stadt hat wieder geöffnet – das Borchardt, hier sitzt gelegentlich Karl Lagerfeld und eine lachende Katarina Witt, die mal was mit Stefan Aust hatte...“ usw.) Überhaupt haben die Frauen mit Abitur den schrecklichsten Promi-Hang. Und ist nicht diese ganze Doppelnamen-Manie bereits ein Landadlig-werden-Wollen über bloße Wortmagie (Info-Elite)? Während meiner zehnjährigen Arbeit in der Landwirtschaft machte ich die Erfahrung: Die Bauern ackern einfach los, dumpf und unentwegt – in der Horizontalen, während ihre Frauen dafür Sorge tragen, daß sich die Ernteerträge im Sozialen – in der Vertikalen also – fest verzinsen. Feministisch gesprochen, nennt sich das jetzt „Quotierung“ in allen Hierarchien – und absolut nicht „Kampf den Hierarchen“.
Promigeilheit ist auch ein Stück Amerikanismus für Idioten, insofern hierbei vorgeblich personifizierte Politik betrieben, auf die Personality abgehoben wird. „Klatsch ist die letzte materialistische Waffe gegen die Meinung“, meinte Rainald Goetz einmal.
Der saß übrigens gerade tagelang mit seiner Freundin im Partnerlook im Internet-Café des Hauses der Weltkulturen – und hat auch einen ziemlichen Promi- Hau weg; desungeachtet zielte sein analytischer Gedanke aber eher auf die Unprominenz in den Personen, in der Personage dieses ganzen subalternen Sommertheaters. Helmut Höge
wird fortgesetzt
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen