■ Normalzeit: Lohnende Steckenpferde
So, wie man kaum noch in einem Turnverein mitmacht, sondern eher ein Fitneßcenter frequentiert, hat man auch keine Macken mehr, sondern frönt einfach seinem Hobby. – Und das muß anständig was kosten, sonst kann man es ja gleich Arbeit nennen. Der ehemalige taz-Sommerlochteam-Leiter Burkhard Scherer hat jüngst eine Analyse von Hobbyzeitschriften vorgelegt, über die Eckhard Henscheid urteilt, sie sei schon fast ein Standardwerk – „der Scherer“ eben. Interessant sind aber auch jene Steckenpferde, die nicht von einer Trendzeitschrift als special interest abgedeckt werden.
Ich bekam gerade den schönen Auftrag, die halbe Belegschaft einer großen Versicherungsfirma über ihre Hobbys auszufragen, wobei ich en passant viel über Versicherungen erfuhr. Einige hatten so ausgefallene Hobbys wie Orchideenzüchten, alle Indianerreservate der Welt abzuklappern, Tiefseetauchen, „Wie bitte?!“ kucken, das erste Auto (einen VW-Käfer) pflegen, bosnische Nationaltrachten nähen, „Ulysses“ von James Joyce lesen, lateinische Lyrik, europäische Ornithologie usw.
Beiwegelang stößt man manchmal auf noch ausgefallenere Hobbys: Im „Ball der einsamen Herzen“ verkehrt zum Beispiel eine gar nicht einsame Chinesin, die als einzige Frau dort laufend die Männer auffordert: Sie gibt als ihr Hobby „Tanzen“ an. Im Supermarkt neben der taz kaufen immer mal wieder vier Festland-Chinesen ein. – Und zwar jedesmal 16 Dosen Niveacreme: Jeder von ihnen kauft vier, so als wären sie rationiert. Einmal nahm ich mir ein Herz und fragte sie, was das soll. Ich bekam jedoch nur ein vieldeutiges Lächeln zur Antwort. Von einer Taiwanerin weiß ich jedoch, daß sich dort unsere billigen Pfefferminzteebeutel großer Beliebtheit erfreuen – unter dem Namen „europäischer Kräutertee“. Einige hier lebende Inselchinesen kaufen die Beutel billig en gros und bringen sie dann in attraktiv neugestalteten Kartons in Taiwan auf den Markt. Vielleicht steckt ein ähnliches Geheimnis hinter dem Niveacreme-Kauf?
Solche Hobbys gehen aber schon in den alltäglichen Erwerbswahnsinn über. Selbst die aufwendigen Tierhobbys, die oft auch noch mit einer gewissen Menschenfeindlichkeit einhergehen, eröffnen immer häufiger die Möglichkeit, die jeweiligen Lieblinge beim Film unterzubringen und somit noch ein Schnäppchen zu machen. Tierfilme werden immer beliebter, auch die Werbung verlangt mehr und mehr Tierdarsteller – mindestens seit den Toyota-TV-Spots: Schon gibt es etliche begnadete Hundehalterinnen in Berlin, die gut und gern von ihren äußerst gelehrigen „vierbeinigen Lieblingen“ (SFB) leben können.
Bei Velten lebt ein Westberliner, dessen Hobby Krokodile sind. Bis vor kurzem hielt er sich vier zwei Meter lange Krokodile in einem 600-Liter-Becken in seinem Wohnzimmer: „Zu einem habe ich eine richtige Beziehung aufbauen können, die anderen drei liefen so mit.“ Seine Tochter spielte sogar mit dem einen auf dem Teppich, und im Sommer ging er mit ihm an den Wannsee: „Wenn ich im Wasser war, blieben die anderen Badegäste an Land, und wenn ich am Strand lag, gingen sie ins Wasser.“ Noch bevor die Krokodile die ersten Honorare einspielen konnten, ging ihrem Halter jedoch das Geld für die Pflege aus. Nicht zuletzt deswegen, weil die Echsen einmal den Stöpsel aus ihrem Becken zogen und 600 Liter Wasser die Wohnung im Stockwerk drunter ruinierten.
Vereitelt wurde neulich auch der Gelderwerb mittels einer geladenen 9-mm-Pistole. Bei dem Festgenommenen fand man dann in seiner Spandauer Wohnung noch sechs weitere Waffen ähnlichen Kalibers. Der 23jährige erklärte später: „Kanonen sind mein Hobby.“ Helmut Höge
wird fortgesetzt
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