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■ NormalzeitKorea: Vorbild für oben und unten

Rund viertausend Koreaner leben in Berlin, viele bereits in der „zweiten Generation“ – ihre Mütter kamen vor über zwanzig Jahren als Krankenschwestern. Sie haben inzwischen eine „Frauengruppe“ sowie einen „deutsch- koreanischen Kulturkreis“ gegründet. Ferner gibt es hier eine „koreanische Arbeitergruppe“ und an der Freien Universität einen „Studentenverein“.

Am vergangenen Donnerstag trafen sie sich vor dem südkoreanischen Konsulat am Kurfürstendamm zu einer Kundgebung, um ihre Solidarität mit der Gewerkschafts- und Demokratiebewegung in Korea zu demonstrieren. Die Konsulatsangestellten fotografierten vom ersten Stock und aus einem fahrenden Mercedes heraus die Demonstranten auf dem Olivaer Platz. Hinterher meinten deswegen einige Aktivistinnen, sie seien „stolz“ darauf, daß zu ihrer Veranstaltung immerhin rund achtzig „couragierte“ Koreaner gekommen waren, zumeist durch die Universitätsrevolte 1987 politisierte ältere Studenten. Sie müßten nun aufgrund ihrer Teilnahme bei Rückkehr in die Heimat mit einem Karriereknick rechnen. Auf der Kundgebung ging es neben einem Protest gegen die verabschiedeten Arbeitsgesetze auch um die neuen, ebenfalls (wieder) verschärften Geheimdienstgesetze. Dazu sprach eine Vertreterin der bundesweiten „Unterstützungsgruppe für politische Gefangene“ (735 Menschen sind derzeit, teilweise schon seit dreißig Jahren, in Süd-Korea inhaftiert).

Eine Rede hielt auch der IG- Metall-Geschäftsführer Burkhard Bundt: ein Globalisierungsnovum – die Berliner Metaller unterstützen neuerdings ausdrücklich den Kampf „gegen das neue reaktionäre Arbeitsgesetz“ Koreas. Und das, obwohl oder weil ihr erster Bevollmächtigter, Foede, im Aufsichtsrat des Berliner Samsung-Werks für Fernsehelektronik sitzt. Zuvor hatten bereits die Vertrauensleute von Thyssen einen „Boykott koreanischer Firmen“ gefordert (das neue Arbeitsgesetz hebt die Organisationsfreiheit auf und ermöglicht den Einsatz von Streikbrechern). Die Kundgebung wurde offiziell veranstaltet vom „Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall“ sowie vom „Solidaritätskomitee mit den demokratischen Gewerkschaften Südkoreas“ (Solikor). Letztere bereiten derzeit ihre zweite Broschüre über die koreanische Arbeiterbewegung vor. Vor dem Konsulat verteilten sie ein Interview mit Nam Gu Hyun vom „Nationalen Komitee“: ein Zusammenschluß von 46 Organisationen, die im Herbst auch parteipolitisch antreten gegen die ihrer Meinung nach zu Handlangern der Bourgeoisie und der Chaebol gewordenen drei Kim (die Vorsitzenden der Neuen Korea-Partei, der Nationalkongreß-Partei sowie der Liberaldemokraten).

Nam Gu Hyun will zunächst den Straßenkampf forcieren: „Damit würde der Arbeiterkampf zum Volkskampf“, und weil das Militär nicht mehr so einfach gegen die Bewegung eingesetzt werden kann, „haben wir gute Chancen zu siegen, wenn wir die Polizei außer Kraft setzen können“. Uneingeladen verteilten auch die internationalen Trotzkisten ein Flugblatt vor dem Konsulat: „Für eine sozialistische Wiedervereinigung Koreas“, womit allein schon der Artikel 7 des neuen Geheimdienst-Gesetzes erfüllt wurde, der das „Rühmen, Fördern und Sympathisieren mit dem Staatsfeind“ unter Strafe stellt.

Nach der Kundgebung, an der sich auch etwa zwanzig Deutsche beteiligten, luden einige Teilnehmer noch zu einem koreanischen Essen ein. Bei der anschließenden Diskussion beeindruckte mich erneut, wie auch bei der Protestveranstaltung schon, der koreanische Hang zu kooperativer Disziplin. Hier dazu noch in völliger Umdrehung der Tradition: Die Frauen bestimmten durchgehend den Gesprächsverlauf – auf deutsch, während die Männer größtenteils zuhörten.

Die Manöverkritik soll am heutigen Montag um 19 Uhr im Haus der Demokratie in die Vorbereitung weiterer Solidaritätsaktionen für die koreanische Arbeiterbewegung münden. Zugleich wird man versuchen, auf dem „Forum“ der Berlinale, wo heuer nicht zufällig der koreanische Film einen Themenschwerpunkt bildet, aktuellste Videos aus der Bewegung vorzuführen: der Abspielplatz dafür ist bereits reserviert. Helmut Höge

wird fortgesetzt

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