Normalzeit: Zu den Bodenverbündeten
■ Von Helmut Höge
„Da wird jelogen, dat sich die Balkane biegen!“ meint der Busfahrer, als ich ihn nach der 1.-Mai-Demonstration seiner Gewerkschaft frage.
Es wird immer schwieriger, sich in diesen Tagen des jugoslawischen Medien-Overkills umfassend zu informieren. Eine löbliche Ausnahme bildet die FAZ. In ihrer Ausgabe vom 20. 4. druckte sie unter „Deutschland und die Welt“ eine halbe Seite über den „Sekretär“ ab. Der Text- und Foto-Autor Carl-Albrecht von Treuenfels versuchte mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln der Aufklärung, uns diesen interessanten afrikanischen Steppen-Greifvogel näher zu bringen.
Und das gelang ihm auch – sofort nach dem Frühstück bereits. „Laß uns in den Tierpark fahren, dort lebt ein Pärchen dieser früher fälschlicherweise Geierkraniche genannten Art“, meinte meine Freundin und hatte schon den Hörer in der Hand, um uns ein Auto zu besorgen. Ihre Freundin Marlies wollte auch mitkommen: Wegen der Oster-Lämmer und der zwei neugeborenen Elefanten – vor allem. Zunächst hatte auch noch Marlies' Freundin spontanes Zoo-Interesse bekundet. Weil sie von den um diese Jahreszeit besonders munteren Stachelschweinen gehört hatte: „ein ehemaliges Geschenk der Stasi an den Tierpark“. Dann konnte sie sich aber nicht freinehmen, dafür holten wir Alex, Katja und ihre Tochter Simone ab.
Alex meinte dann zu wissen, daß die Sekretäre früher frei im Tierpark herumgelaufen seien. Katja wußte, daß die Sekretäre in ihrer afrikanischen Heimat gerne und sehr geschickt vor den Buschfeuern auf und ab laufen, um sich die den Flammen entkommenen Mäuse, Schlangen und Frösche zu schnappen. Von einem Frührentner mit Dauereintrittskarte für den Tierpark erfuhren wir: Während der Balz würden die Rufe der Sekretäre mitunter wie Löwengebrüll klingen. Das war ja hochinteressant, aber Simone wollte unbedingt weiter: zu den Tigern! Alex gefielen dagegen die rosa Flamingos am besten. Über die Hälfte dieser Vögel war jedoch weiß.
Ich behauptete, dies sei Ausdruck eines Ernährungsmangels, und berief mich dabei auf eine FAZ-Ausgabe von 1991. Das Gehegeschild belehrte mich dann allerdings: Die rosa Flamingos stammten aus Kuba und die weißen von woanders her. Demnach mußten sie also wohl gesund sein. Im Elefantenhaus wurde ich einen Moment unsicher. Dort stand eine Kuh mit ihrem Neugeborenen und dieses war so klein, daß es höchstens mit seinem Rüssel an die Mutterbrust reichen konnte: Aber Elefanten saugen doch mit dem Mund/Maul!? In der FAZ hatte ich einmal ein Photo von zwei Frauen aus Malaysia gesehen, die junge Elefanten, deren Mutter gestorben war, säugten.
Wir hatten Glück: Während wir noch rätselten, nahte der Elefantenpfleger – mit einer orangenen Plastikkiste. Diese stellte er unter die Elefantenkuh, der er gleichzeitig Karotten anbot, und der kleine Elefant stieg sofort auf die Kiste. Nun kam er locker an die Brust ran. Seine Mutter prüfte mit dem Rüssel – während sie die Karotten aß – ob ihr Junges auch sicher genug stand. Alle Zuschauer waren begeistert. Marlies sprach noch lange davon, was für ein Glück wir gehabt hätten, daß wir gerade zum Zeitpunkt dieses tollen Ereignisses im Elefantenhaus gewesen waren.
Aber auch die Stachelschweine hatten sich uns von ihrer besten Seite gezeigt: Sie kletterten bis in die höchste Spitze ihres Kletterbaumes und räkelten sich oben lässig in der Sonne. Dann kratzten sie sich auch noch, fast ohne festzuhalten. Ebenso munter waren die Präriehunde, die – wahrscheinlich frühjahrsbedingt – ihren ganzen Erdhügel neu durchstrukturierten, wobei sie die Angewohnheit hatten, die ausgeworfene Erde alle paar Minuten mit der Schnauze plattzukloppen. Demzufolge liefen die meisten mit lustigen drekkigen Nasen herum.
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