: Nordsee darf eine Kloake bleiben
■ Gegenseitige Schuldzuweisungen und unverbindliche Absichtserklärungen sind das einzige Ergebnis der Nordseeschutzkonferenz / Winzige Fortschritte
Esbjerg (dpa/taz) – Von einer Einigung waren die Umweltminister auf der vierten Nordseeschutzkonferenz weit entfernt. Die Ölförderländer Großbritannien und Norwegen behalten sich vor, ihre Bohrinseln weiterhin zu versenken. Da nützte es auch nichts, daß die Mehrheit der Nordsee-Anrainer ein Verbot forderten, denn die Konferenz arbeitet nicht mit Mehrheitsbeschlüssen.
„Sie wollen doch nur von ihren eigenen Problemen ablenken“, wehrte der britische Umweltminister John Gummer sich gegen die gehäufte Kritik an seiner Regierung. Gummer hält die Raubfischerei für das größte Umweltproblem – und zeigt mit spitzem Finger auf die Dänen, deren Umweltminister Svend Auken die Proteste gegen das britische Plattform-Versenken angeführt hatte.
Für die Umweltorganisationen erklären diese gegenseitigen Schuldzuweisungen, warum es auf der Konferenz nicht mehr voranging. Die Briten kapitulierten vor ihrer Ölindustrie, die Dänen vor den Fischern, die Niederländer vor der Landwirtschaft und die Deutschen und Schweizer vor der chemischen Industrie.
Die Forderung, die Einleitung von schwer abbaubaren Giftstoffen in den nächsten 20 bis 30 Jahren schrittweise auslaufen zu lassen, mutierte zur vagen Absichtserklärung, deren Schicksal schon jetzt feststeht: Die britische Delegation erklärte offiziell, sie halte den Ausstieg aus diesen Stoffen binnen 25 Jahren für unrealistisch.
Erstmals war die Überfischung der Nordsee Thema der Konferenz. Der dänische Umweltminister Svend Auken bezeichnete es schon als Fortschritt, daß dieses Problem bei einem gemeinsamen Treffen der Umwelt- und Fischereiminister aller Nordseeländer behandelt werden soll.
Positiv ist die von den neun Staaten beschlossene Ausweisung der Nordsee zu einem „Sondergebiet“, für das ein Verbot von Öleinleitungen aus Schiffen erlassen werden kann. Schätzungsweise 100.000 Tonnen Altöl pro Jahr geraten so in die Nordsee. Nicht durchgesetzt werden konnte bei der Konferenz die Forderung nach einer gleichlautenden Regelung für Chemikalien. Ein kleiner Fortschritt ist auch die Umkehrung der Beweislast bei der Frage der Klärwerke. Alle Länder müssen nun erst mal nachweisen, daß ihre Methoden der Abwasserreinigung unschädlich sind.
„Die zentralen Probleme bleiben weiter tabu“, monierte Peter Willers von der Aktionskonferenz Nordsee. „Dazu gehört der Verkehr mit seinen riesigen Stickstoffemissionen, die Belastung durch Radioaktivität und die industrielle europäische Landwirtschaft“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen