: Nordsee-Gerechtigkeit
■ Zum Fahrverbot für Fischkutter
Die Rettung der Nordsee läuft ja auf allerhöchsten Touren: Die Nordseefischer dürfen den Robbenbänken nicht mehr nahe kommen, haben Lüneburger Oberverwaltungsrichter entschieden. Schon vor drei Wochen kürzte Bundesumweltminister Klaus Töpfer die Säure-Verklappung der Chemiefirma Kronos Titan um die Hälfte zusammen. Was Staat und Justiz nicht alles tolles tun!
Doch bestehen zwischen dem einen und dem anderen „Rettungsschritt“ feine Unterschiede. Wie Fischer auf der einen und Kronos Titan auf der anderen Seite die Nordsee nutzen, das läßt sich nicht über einen Kamm scheren: Die Chemie-Firma verklappt Säure – die Fischer ziehen deswegen kranke und verkrüppelte Fische aus den Fluten. Die Fischer leben vom Meer: Je gesünder es ist, desto größer, haltbarer und schmackhafter ihre Fänge. Kronos Titan tötet das Meer. Mitte Juli verkündete Umweltminister Töpfer: Zwei Monate lang dürfe Kronos Titan nur zwei anstatt vier Schiffsladungen Säure pro Woche verklappen. Alter Wein in neuen Schläuchen. Denn die „Einleitgenehmigung“ von 1982 schrieb der Firma ohnehin vor, ihre Giftmengen zu reduzieren, wenn der Sauerstoffgehalt der Nordsee niedrig ist – und das wird in diesem Katastrophensommer der Fall sein. Der Schaden für Kronos dürfte also kaum meßbar sein. Die Erträge der Fischer dagegen sind durch die Vergiftung ihrer Gründe sowieso schon geschmälert. Da schlägt das Fahrverbot spürbar zu Buche.
Dennoch: Die Lüneburger Richter haben recht, wenn sie Seehund-Leben vor den Lärm und Gestank der Fischkutter schützen wollen. Doch die Schäden der Fischer sollten diejenigen regulieren, die sie verursachen: Kronos Titan und die anderen Meeresvergifter.
Michael Weisfeld
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