piwik no script img

Nordmazedoniens Reform-RegierungschefVorerst gescheitert

Erich Rathfelder
Kommentar von Erich Rathfelder

Zoran Zaev befriedete den Konflikt mit Griechenland und schwenkte auf EU-Kurs. Doch er hatte in den Nachbarländern zu viele Gegner.

Zoran Zaev spricht bei der Verleihung des Westfälischen Friedenspreises Foto: Lino Mirgeler/dpa

M an kann wohl mit Fug und Recht sagen, da ist am Sonntag jemand zurückgetreten, der alles versucht hat, sein Land Mazedonien zu modernisieren, zu demokratisieren und zu reformieren. Der Sozialdemokrat Zoran Zaev ist einer der wenigen Balkanpolitiker, der sein Land ernsthaft auf den Kurs der Integration in die Europäische Union geleitet hat. Aber es kam zu wenig an Unterstützung zurück.

Was hatte er alles für Hindernisse zu überwinden: Es gelang ihm nicht nur, die korrupte, rechtsgestrickte und populistische Regierung von ­Nikola Gruevski durch eine Volksbewegung abzusetzen und, unterstützt von zwei Parteien der albanischen Minderheit, im Mai 2017 zum Ministerpräsidenten seines Landes gewählt zu werden. Es gelang ihm sogar, das Veto aus Griechenland gegen die Aufnahme seines Landes in die EU zu überwinden. Die Griechen hatten eine Namensänderung seines Landes verlangt, die er innenpolitisch mit einer Volksabstimmung durchboxte.

Dass die beiden linken Regierungschefs Alexis Tsipras und Zoran Zaev im Februar 2019 den Vertrag unterzeichneten, der Mazedonien in Nordmazedonien umtaufte, war sensationell. Beide wurden mit Ehrungen überschüttet. Der Weg nach Europa schien frei zu sein. Nordmazedonien hatte unter Zaevs Führung alle strengen Voraussetzungen der EU, so auch bei der wichtigen Justizreform, erfüllt.

Doch jetzt stellte sich Bulgarien quer und forderte von Nordmazedonien nichts weniger als zu erklären, dass die Nord­mazedonen eigentlich Bulgaren seien. Mit Argumenten aus dem 19. Jahrhundert wurde Nordmazedonien wiederum der Weg in die EU verbaut.

Das war ein schwerer Schlag. Dass sich auch Frankreich und einige andere Staaten der EU querstellten, war eine weitere Enttäuschung. Zaev konnte nicht liefern, seine Popularität bröckelte. Sein Vorgänger Gruevski versuchte zudem, mit erheblichen Geldmitteln und mit Unterstützung Ungarns den Kommunalwahlkampf zu beeinflussen. Die Sozialdemokraten verloren die Wahlen, Zaev trat zurück. Doch wer ihn kennt, weiß, dass er weiterkämpfen wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Erich Rathfelder
Auslandskorrespondent Balkanstaaten
Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!