■ Nordkorea läßt Mini-U-Boot an Südkoreas Küste stranden: Wahnsinnige Marionetten
Es muß mit Verzweiflung zu tun haben, daß das Regime in Pjöngjang eine seiner Eliteeinheiten befahl, an Bord eines Mini-U-Bootes gegen den Erzfeind in Seoul zu ziehen. Die Realität muß für die dortigen Machthaber unerträglich sein. Im zweiten aufeinanderfolgenden Jahr steht Nordkorea vor einer Mißernte. Nach der Kapitulation der Sowjets haben auch die chinesischen Genossen den Markt und seine Gesetze entdeckt und lassen sich ihre brüderliche Hilfe in harter Währung bezahlen. Und das verteufelte „amerikanische Marionettenregime“ in Seoul erweist sich als selbständiger, als es der Propagandamaschine in Pjöngjang recht sein kann. Einerseits verweigert die Bevölkerung den linken Universitätsbesetzern von Seoul jede Sympathie, andererseits werden die Verantwortlichen für das Massaker an linken Oppositionellen in Kwangju zu schwersten Strafen verurteilt.
In diesen Reifungsprozeß paßten auch die moderateren Signale, die Seoul in den letzten Wochen nach Pjöngjang schickte. Da war die Rede wieder von Nahrungsmittelhilfe und einem neuen Anlauf für dringend benötigte wirtschaftliche Aufbauhilfe. Südkorea weiß, daß ein Zusammenbruch des Nordens und die damit erzwungene Wiedervereinigung auch das Ende des eigenen Wirtschaftswunders bedeuten würde.
Die deutschen Erfahrungen sind für Seoul ein Alptraum. Den Norden wirtschaftlich Schritt für Schritt zu entwickeln und die ideologischen Fanatiker in Pjöngjang zugleich an den Rand zu drängen, ist daher als der einzig gangbare Weg erkannt worden. Ebenso klar ist aber auch, daß Kim Jong Ils bizarrer Staat freiwillig nicht untergehen wird. Je tiefer das nordkoreanische Regime im selbst angelegten Morast versinkt, um so größer wird in Seoul die Angst vor irrationalen militärischen Befreiungsschlägen.
Nur so ist die panikartige Reaktion auf die Landung eines 20köpfigen Spionage-, Sabotage- und vielleicht auch Mordkommandos aus Pjöngjang an der südkoreanischen Küste zu verstehen. Die Leichen der nordkoreanischen Soldaten und das offensichtliche Versagen ihrer eigenen Armee waren für die Südkoreaner eine drastische Erinnerung daran, daß Pjöngjang nichts mehr zu verlieren hat und der Kalte Krieg auf der koreanischen Halbinsel jederzeit wieder in ein neues Blutbad umschlagen könnte. Johannes von Dohnanyi
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