: Nordische Alkoholschlösser
Stockholm (taz) — Im schwedischen Justizministerium wird derzeit an einigen Vorschlägen gearbeitet, wie man nicht nur den Kampf gegen das Verbrechen effektivieren, sondern gleichzeitig auch die übervollen Haftanstalten leeren kann.
Eine der Planungen, die Staatssekretär Krister Thelin letzte Woche vorstellte, geht dahin, wegen Gewalttaten oder Diebstahlsdelikten Vorbestraften einen Minisender einzubauen. Anhand der Signale, die dieser Sender gebe, könne von einer Zentrale aus überwacht werden, ob und wann der Betreffende seine Wohnung verläßt. Seine Wege könnten genau überwacht werden. Kommt es zu einer Straftat an einem Ort, an dem der Minisenderbestückte sich zur Tatzeit aufgehalten hat, muß er damit rechnen, in erster Linie verdächtigt zu werden.
Der Justizstaatssekretär hält dies für humaner als eine Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe, es sei außerdem billiger für den Staat. Diskutiert wird außerdem, den wegen Alkohol am Steuer Vorbestraften zwangsweise ein sogenanntes „Alkoholschloß“ ins Auto einzubauen. Das Fahrzeug kann dann nur in Gang gesetzt werden, wenn das Pusten in ein Alkoholmeßgerät dem Zündmechanismus ein Nullergebnis signalisiert hat. Es gibt bereits Prototypen derartiger „Alkoholschlösser“, technisch ist das Problem also gelöst. Was fehlt, ist noch ein Detektor, der aus Speichel oder Atemluft analysieren kann, ob tatsächlich die zum Fahren mit Alkoholschloß verurteilte Person am Pusten ist und nicht ein freundlicher— und nüchterner — Passant. Das Alkoholschloß soll, sollte es sich bewähren, an die Stelle des Führerscheinentzugs treten.
Der Verkehrssicherheitsrat hat gleich noch einen weiteren Vorschlag, der Grund geben könnte, die Mannschaftsstärke der Polizei kräftig aufzustocken: Führerscheinneulinge sollen im ersten Jahr nach Erhalt der Pappe nicht abends oder nachts fahren. Forschungsergebnisse zeigen, daß Neulinge bei Unfällen in der Dunkelheit überproportional beteiligt sind.
Die Probleme, ein solches Verbot auch tatsächlich zu überwachen, sind augenfällig. Ein zusätzlicher Faktor sind aber auch die nordischen Lichtverhältnisse: Da es im Winter im hohen Norden gar nicht hell wird, würde dies ein absolutes Fahrverbot für Führerscheinneulinge bedeuten. Und auch noch im südlich gelegenen Stockholm wäre etwa zur Weihnachtszeit nur zwischen zehn und 14 Uhr die notwendige Helligkeit für Führerscheinfrischlinge ausreichend.
Ein Vorschlag, der 1990 von dem Vertreter der damals noch im Parlament vertretenen Grünen im Justizausschuß gemacht worden war, ist von der Regierung bislang noch nicht aufgegriffen worden. Der Parlamentarier Kent Lundgren hatte — absolut ernsthaft — ein Halsband mit eingebauter Giftampulle für Rückfalltäter im Bereich von Sexual- und Drogendelikten vorgeschlagen. Die Übeltäter sollten in bestimmte Gebiete verbannt werden, und bei dem Versuch, diese zu verlassen, sollte eine Automatik eine Giftspritze auslösen. Lundgren: „Das wäre dann nicht Mord, sondern Selbstmord.“ Staatssekretär Krister Thelin: „Die Diskussion über den Einbau von Sendern ist durch diesen Vorschlag leider sehr belastet worden.“ Reinhard Wolff
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