: Nord- und Rotschlag in der SPD
Berufsverbote, üble Nachreden und Stalinismus-Vorwürfe: Im Kreisverband Nord dreschen die Flügel munter aufeinander ein ■ Von Sven-Michael Veit
Im Kreisverband Nord der Hamburger SPD wird heftigst mit den Flügeln geschlagen. „Da laufen schlimme Mauscheleien gegen die Linken in der Partei“, glaubt ein prominenter Parteilinker. Gerade die würden doch versuchen, sagt eine Sozialdemokratin, die sich „als eher flügelunabhängig“ einstuft, „ihre Machtpositionen zu betonieren“. Hier würden „fast schon Berufsverbote für Linke gefordert“, beklagt ein dritter; vor „stalinistischen Methoden des Rechtsaußen Johannes Kahrs und seiner Getreuen“ gar meint ein vierter warnen zu müssen.
Dies und manch anderes, was hinter vorgehaltener Hand zu hören ist, grenzt an den Tatbestand des Rufmordes. Weshalb alle, die von gegenseitigem verbalen Totschlag unter den Roten raunen, keinen Wert auf namentliche Nennung legen.
Kristallisationspunkt des Streits ist der Distrikt Barmbek-Uhlenhorst-Hohenfelde. Etliche mit Merkwürdigkeiten behaftete Parteieintritte und Ummeldungen von Sozialdemokraten aus anderen Distrikten nähren Gerüchte über Bataillone, welche die jeweils andere Seite mobilisiere. In 21 Fällen, soviel ist gesichert, sind die Personen oder ihre Wohnorte und damit die Distriktszugehörigkeit „unklar“, berichtet Nord-Kreischef Hermann Scheunemann: „Diese Zuzüge werden jetzt sachlich geprüft.“ Denn Ende Februar stehen Vorstandsneuwahlen im etwa 320 Mitglieder zählenden Ortsverein an, der „ein sehr umkämpfter Distrikt ist“, wie der frühere Bürgerschaftsabgeordnete einräumt.
SPD-intern gehört der Ortsverein zum Kreis Nord, einer traditionellen Hochburg der SPD-Linken, die wegen ihrer Verfilzung mit der Arbeits- und Sozialbehörde nachhaltig in Verruf gekommen ist (siehe Bericht Seite 22). Nach dem Bundeswahlgesetz aber zählt der Distrikt zum Bundestagswahlkreis Hamburg-Mitte, einer Bastion des rechten Flügels. Den vertritt im Berliner Reichstag der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs, ein Zögling des Mitte-Kreisfürsten und ewigen Bausenators Eugen Wagner, der grauen Eminenz der SPD-Parteirechten. Jener Kahrs nun versuche, so munkeln nicht wenige, den Distrikt unter seine Kontrolle zu bringen und Gefolgsleute in den Vorstand zu hieven.
„Ich halte mich aus diesen Sachen raus“, beteuert Kahrs. Er wäre „doch mit dem Klammerbeutel gepudert“, wenn er sich da einmischte, meint der 34-Jährige, der vielen Linken als „charakterloser Karrie-rist“ gilt. Zudem sei er wegen seiner früheren Funktion als Bundessprecher der Studentenverbindung Wingolf-Bund „schlicht nicht wählbar“. Er beschränke sich „auf die Wahlkreisarbeit“, sagt Kahrs, der sehr wohl weiß, wie umstritten er parteiintern ist. Würde er sich „da einmischen, hätte ich nur Nachteile, also tue ich es nicht“, weist er alle üblen Nachreden zurück.
Es sei Zeit, entrüstet sich ein altgedienter Funktionär, „Provinzdemagogen und ihren Hinterzimmermethoden entgegen zu treten“.
Mag sein, aber es scheint durchaus noch ungeklärt, welche Seite die schlimmeren hat.
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