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Noise-Rock aus BerlinDas Krachen des Scheiterns

In Friedrichshain wird die Verti Music Hall mit einem Konzert von Jack White eröffnet. Das Recht auf den ersten Krach aber hat die Band Gewalt.

Noch herrscht dröhnende Leere: die neu eröffnete Verti Music Hall Foto: Jens Kalaene/dpa

In der Luft ein Hauch von kaltem Beton, frischer Farbe, ausdünstendem Plastik. Und dann kommt Gewalt. Stellt ein nervendes Blaulicht in der Mitte der Bühne. Und kracht. „Wir werden scheitern“ – mit diesen Worten hatte Gewalt-Sänger Patrick Wagner großspurig die Latte hoch gelegt.

Kann es eine passendere Band geben, um diesen Neubau einzuweihen? Das Berliner Trio hat sich immerhin mit seinem existenzialistischem Stampf-Noise den Ruf erspielt, selbst kleine Clubs halb leer zu spielen, weil viele diesen energetischen Lärm einfach nicht aushalten.

Verti Music Hall nennt sich diese geschätzt 20 Meter hohe Halle. Sie ist dermaßen auf Effektivität getrimmt, dass es weh tut. Auf meterhohen Leuchtwänden draußen prangt die neue Adresse, damit auch niemand vergisst, wo er ist: „Mercedes-Platz“. Rund um die Mehrzweckhalle, die ebenfalls den Namen der Automarke trägt, hat sich das Kapital einen Tempel errichtet. Kulturmanager mit Hang zur Ironie hätten die Einstürzenden Neubauten für den Eröffnungsabend gebucht. Stattdessen steht Jack White auf dem Programm, den Dank „Seven Nation Army“ jeder kennt, von der Königin von England bis zu den Hunden der Hölle.

Das Recht auf den ersten Lärm in der mit fast 5.000 Besuchern ausverkauften Halle aber haben die drei von der Vorband Gewalt. Patrick Wagner, Helen Henfling an der Gitarre, Samira Zahidi am Bass. Und nicht zu vergessen: DM1, die Drummachine, die für den stumpfen Beat sorgt, und zu Recht stets als viertes Bandmitglied genannt wird. „Der Kälte entfliehen, gen Süden ziehen – Tier“, brüllt Wagner über verzerrende Gitarren. „Koten und laichen, verpuppen mich häuten – Tier. Die Beute jagen, an seinem Fleisch mich laben – Tier“. Das Publikum schweigt.

Aushängeschild des Nachwendeberlins

„Es ist eine Größenordnung und Sache, die wir definitiv nicht können“, hatte Wagner im Newsletter seinen Fans verkündet. Und auf Facebook die Geschichte des neuen Künstlers erzählt, den die Rolling Stones einst als Support mitnahmen, der dermaßen niedergebuht wurde, dass er nach drei Konzerten aufgab. Sein Name war: Prince.

Aber Wagner ist nicht Prince. Er ist nur für die drei Konzerte von Whites Deutschlandtour gebucht. Vor allem ist er kein neuer Künstler, eher ein Wiederauferstandener.

Mit seine Band Surrogat setzte er in den 90ern der Hamburger Schule ein krachig-unintellektuelles Berliner Gegengewicht. Mit seinem Label Kitty-Yo war er ein Aushängeschild des Nachwendeberlins, in dem alles möglich schien. Dann versandete die Band, das Label ging pleite, Wagner verschwand jahrelang von der Bildfläche. Er fiel tief. Und mit Gewalt weiß er nun ein Lied davon zu singen.

Immerhin ein zaghaftes „Aufhören!“

„So geht die Geschichte“ heißt der Song. Er erzählt von Wagners Begegnung mit der Dame vom Amt. „Sie sagt, ihnen droht Obdachlosigkeit / Ihnen und ihrem Sohn droht Obdachlosigkeit“, sprechschreit Wagner. Und steigert sich im Schlussrefrain zu einer Art Hymne der Mitte-Verlierer: „Ich stoß den Penner an die Wand / Das neue Gold heißt Pfand“. Text und Musik sind von brachialer Schnörkellosigkeit. Ironielos wie Hartz IV. Das ist die große Kunst von Patrick Wagner. Irgendwer im Publikum schenkt ihm ein zaghaftes „Aufhören!“.

Der Sound ist grottenschlecht. Worunter niemand mehr leidet als eine Noiseband, die klirrende Präzision bräuchte. Hier aber füllt Wagner die Halle nicht, drängt sich nicht auf, zwingt nicht. Einzelne gehen ein Bier holen, aber niemand flieht. Großmaul Wagner ist einmal nicht zu laut. Er ist zu klein, um dieses Format zu sprengen. Am Ende wird er mit höflichem Applaus verabschiedet. Gewalt scheitert am Scheitern.

Und Jack White? War dann auch ganz okay. Der Sound war ebenfalls unterirdisch. In der ersten Hälfte des Konzerts wurde seine eh nicht überragende Stimme auf ein heiseres Gefistel reduziert. Später ließ White zumindest anklingen, warum er als einer der begnadetsten Rockgitarristen gilt. Den Fans hat es gefallen. So sehr, dass beim Zugabeblock sogar stellenweise etwas Bewegung ins Publikum kam, mehr als ein Kopfnicken. Aber bei Jack White ging es ja auch nicht ums Scheitern.

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