Noch viel mehr Autos aus Grünheide: Tesla will mehr
Die Ausbaupläne des Autobauers für sein Werk in Grünheide stoßen bei Umweltschützern auf Widerstand. Sie sorgen sich um die Wasserversorgung der Region.
„Was hat die SPD-geführte Landesregierung Brandenburg Tesla zugesagt?“, hat der Verein für Natur und Landwirtschaft in Brandenburg sofort gefragt, nachdem der Autobauer Tesla seine neuen Pläne für eine noch größere „Gigafactory“ an der Grenze zu Berlin am 19. Juli vorstellte.
Die Gegner*innen eines Ausbaus sorgen sich um die Wasserversorgung der Region. Brandenburgs Pegelstände sinken seit Jahren, gleichzeitig nehmen Wasserverbrauch und Verdunstung zu. Das müsste eigentlich auch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wissen. „Wir sind fest entschlossen, Tesla dabei zu unterstützen, eine passende Lösung noch vor dem Sommer zu finden“, versprach er hingegen bereits im März in einem lieben, auf Englisch geschriebenen Brief („Dear Mr. Musk“) an Tesla-Chef Elon Musk. Umweltschutzverbände reagierten auf dieses Schreiben mit „Entsetzen und Unverständnis“.
Seine Ausbaupläne hat das US-Unternehmen auf 17.400 Antragsseiten dokumentiert. Zuständig dafür: das brandenburgische Landesamt für Umwelt (LfU). Kernstück des Ausbaus ist neben der Batteriezellproduktion eine neue Fertigungshalle zur Verdoppelung der Autoproduktion.
Bedenken vom Wasserverband
Bereits vor der Veröffentlichung des Änderungsantrags hatte der für den Tesla-Standort Grünheide zuständige Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) Bedenken geäußert. Wenn zusammen rund 2 Millionen Quadratmeter versiegelt beziehungweise überbaut würden, hätte das „Auswirkungen auf die Grundwasserneubildung“, schrieb der Verband im April. Er befürchtet einen „direkten Einfluss auf die öffentliche Trinkwasserversorgung“.
Der Plan Der US-Elektroautobauer Tesla will in Grünheide seine Produktionskapazität von 500.000 auf 1 Million Fahrzeuge pro Jahr verdoppeln, genauso wie die Speicherkapazität der Batteriezellen, von 50 auf 100 Gigawattstunden jährlich. Dazu wären eine weitere, 700 mal 700 Meter riesige Fertigungshalle, eine Batteriezellfertigung, Kühltürme und Anlagen zur Abwasseraufbereitung nötig. Auch die Zahl der Arbeitsplätze soll sich auf 22.500 fast verdoppel.
Die Einwendungen Einwendungen gegen diese Pläne können bis 18. September eingereicht werden. Sie sollen laut Tesla voraussichtlich ab dem 23. Oktober erörtert werden.
Tesla widerspricht dieser Befürchtung: „Jegliche auf der genannten Fläche anfallenden Niederschläge werden am Standort versickert und tragen zur Grundwasserneubildung bei“. Alle Grundwasserabsenkungen seien temporäre Maßnahmen.
Nicht nur der WSE, auch Umweltschutzverbände wie die Grüne Liga und die Bürgerinitiative (BI) Grünheide befürchten negative Auswirkungen auf das Grundwasser. So soll etwa die Fertigungshalle auf über 81.000 Betonpfeilern stehen, die zwölf Meter tief in den Boden bis weit ins Grundwasser getrieben werden sollen. Doch befinden sich die geplanten Neubauten zum Teil im Trinkwasserschutzgebiet – und dort sind Baumaßnahmen wir das Einrammen von Pfählen strikt verboten. Allerdings kann die Untere Wasserbehörde eines Kreises so etwas ausnahmsweise erlauben.
Auch der geplante Neubau für die Produktion von Batteriezellen liegt zum Teil in einer Wasserschutzzone. Das Landesamt für Umwelt sieht hier deshalb „unüberwindliche Hindernissen für eine Teilgenehmigung“ und forderte Tesla auf, seine Pläne zu ändern. Tesla sieht laut Unterlagen „keine nachteiligen Auswirkungen“ aufs Grundwasser und sichert zu, trotz erhöhter Produktion nicht mehr Wasser zu benötigen und das Abwasser komplett wiederzuverwerten.
Weitere Wasservorkommen werden erkundet
Trotz dieser Ankündigung bleibt Steffen Schorcht von der BI Grünheide skeptisch: „Ich glaube nicht, dass die uns die Wahrheit sagen.“ Mit dem erhöhten Einsatz von Roh- und Gefahrenstoffen müsse die Gigafactory in die obere Klasse laut Störfallverordnung eingestuft werden. Außerdem halte Tesla an den Plänen für Probebohrungen für Brunnen fest und hoffe weiter auf Wasser aus dem Erschließungsgebiet zur Grundwasserförderung in Hangelsberg. Tatsächlich erkundet Tesla inzwischen selbst weitere Wasservorkommen.
Wie viel Grundwasser die lokalen Wasserverbände fördern dürfen, entscheidet das Landesamt für Umwelt. Der Wasserverband Strausberg-Erkner darf pro Jahr 14,5 Millionen Kubikmeter Wasser für 170.000 Einwohner*innen fördern. Der Verband hat Tesla vertraglich eine Lieferung von 1,8 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr zugesagt.
Seit März 2022, etwa zeitgleich mit der Eröffnung des Tesla-Werks, hat der WSE 18 Bauprojekten im Verbandsgebiet keine wasserrechtliche Genehmigung erteilt, da er dafür kein Trinkwasser mehr bereitstellen und deren Abwasser nicht entsorgen kann. Auch private Verbraucher*innen im Verbandsgebiet sollen wegen Wassermangels ab 2025 auf 105 Liter pro Person und Tag beschränkt werden. Das Gebiet zwischen Grünheide und Berlin gilt darum als „rote Zone“. Dort wird schon jetzt mehr Grundwasser pro Jahr gefördert, als sich neu bilden kann. Dazu gehören auch die Gemeinden Vogelsdorf und Altlandsberg, knapp 30 Kilometer nördlich der Tesla-Fabrik.
Beide Gemeinden gehören zum Landkreis Märkisch-Oderland, wo Gernot Schmidt von der SPD Landrat ist. Der hatte bereits im Januar angedeutet, Wassergenehmigungen an der Genehmigungsbehörde vorbei über den Landkreis zu erteilen. Denn kleinere Brunnen mit einer Fördermenge von bis zu 2.000 Kubikmeter pro Tag müssen nicht beim Landesamt für Umwelt, sondern bei der Unteren Wasserbehörde des Landkreises beantragt werden.
Die untersteht dem Landrat, in diesem Fall also Schmidt. Dabei spielt die Zahl dieser Brunnen keine Rolle. Für den Landkreis ist das praktisch, denn er muss sich die Wasserentnahmen nicht vom (dem LfU unterstehenden) Wasserverband genehmigen lassen und benötigt auch keine Umweltverträglichkeitsprüfung. Damit besteht jedoch die Gefahr, dass dieses Wasser dann in den Nachbargemeinden fehlt. In Vogelsdorf etwa plant die Sorbus GmbH, ein Gewerbegebiet zu entwickeln und auch Zulieferer für Tesla anzusiedeln. Nach der Genehmigung des Brunnens segnete die Gemeindeversammlung am 29. Juni den Bebauungsplan ab.
Orientierung an der Grundwassersituation
Daraufhin hat die Grüne Liga Brandenburg beim Landkreis Märkisch-Oderland Widerspruch gegen die wasserrechtliche Erlaubnis für das Gewerbegebiet in Vogelsdorf eingereicht. „Wenn die Ampeln bei einigen Bilanzgebieten auf Rot stehen und mehr Grundwasser entnommen als neu gebildet wird, können selbst die Unteren Wasserbehörden keine Kleinstmengen genehmigen“, so Michael Ganschow von der Grünen Liga gegenüber der taz. Die Bauplanungen müssten sich an der Grundwassersituation orientieren und nicht umgekehrt: „Jede Menge, die in diesem Gebiet entnommen wird, ist zu viel.“
Der Wasserverband WSE fühlte sich übergangen und verklagte den Landkreis Märkisch-Oderland beim Verwaltungsgericht auf die Herausgabe des Bescheides. Dies ist nicht der erste Konflikt des WSE mit den Behörden. Unter der Leitung des Umwelttechnikers André Bähler hat sich der Verband wiederholt besorgt über die Trinkwasserversorgung in der Region gezeigt und sich auch kritisch zur Tesla-Ansiedlung geäußert.
Auf die Klage reagierten Politiker*innen der SPD teilweise empört und forderten die Ablösung Bählers. Ein entsprechender Abwahlantrag steht nun auf der Tagesordnung für die nächste Verbandssitzung am 27. September. Erkners Bürgermeister Henryk Pilz ist Vorsitzender der Verbandsversammlung und zeigte sich schockiert. Der Abwahlantrag sei „eine Kriegserklärung gegen die Solidargemeinschaft im Verband“, sagte Pilz der taz. Der gesamte Wasserverband, der für eine zukunftssichere und nachhaltige Versorgung zuständig sei, sei nun in Gefahr, Bähler habe den WSE „hervorragend“ geführt.
Praktisch alle von der taz Befragten sehen hinter dem Abwahlantrag eine politische Einflussnahme. „Mit der Abwahl eines Verbandsvorstehers hält man das Absinken der Grundwasserspiegel nicht auf“, findet auch Michael Ganschow von der Grünen Liga. Bähler habe immer auf Versorgungsengpässe hingewiesen und die Interessen der Gemeinden und ihrer Bürger*innen vertreten.
Für Steffen Schorcht von der Bürgerinitiative in Grünheide ist der Streit um die Ausbaupläne des Autobauers von grundsätzlicher Natur. Er kann der Tesla-Ansiedlung weit weniger abgewinnen als Bundeskanzler Scholz, der in Potsdam bei einem Bürgerdialog vergangenen Montag den Ausbau befürwortete. „Betrachtet man den Lebenszyklus eines Tesla von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung, ist die Ökobilanz negativ“, bilanziert Schorcht von der BI Grünheide. „Tesla leistet keine Beitrag zum Umwelt-, Arten- und Klimaschutz – und ist damit Teil des Problems und nicht der Lösung.“
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