Noch mal anfassen

STERBEN Morgen beginnt die Messe „Leben und Tod“. Ein Forscher plädiert dort für den offenen Sarg

Der Bestatter und Todesforscher Joerg Vieweg ermutigt zum Abschied am offenen Sarg. Das sei auch dann möglich, wenn der Leichnam nach einem Unfall, Obduktionen, Krankheiten oder einem Sturz aus großer Höhe zunächst entstellt sei.

Der Experte hat unter anderem den Leichnam des ehemaligen Nationaltorhüters Robert Enke für den Abschied hergerichtet, nachdem sich der Sportler 2009 das Leben genommen hatte. Er wurde von einem Zug erfasst und tödlich verletzt. Vieweg spricht bei der Bremer Kongressmesse „Leben und Tod“, die am Donnerstag beginnt.

„Die Abschiednahme am offenen Sarg ist umso wichtiger, je akuter, plötzlicher und je jünger ein Mensch gestorben ist“, sagt der Thanatologe. Trauerpsychologisch sei es wichtig, den Leichnam noch einmal berühren zu können, um wirklich zu begreifen, dass der Mensch tot sei. „Noch vor 100 Jahren war das Abschiednehmen am offenen Sarg ein fester Bestandteil der Abschiedskultur.“ In der Nachkriegszeit sei dieses Ritual aus der Mode gekommen, obwohl es nachweislich helfe, den Toten gehen zu lassen.

Nach den Worten des ausgebildeten Krankenpflegers und ehemaligen Rettungssanitäters sind es nicht immer dramatische Fälle, die er wieder rekonstruiert. „Manchmal sind es lange und schwer erkrankte Personen, die extrem stark verändert sind.“ Seinen Angaben zufolge gibt es in Deutschland etwa 120 Thanatopraktiker, die eine Aufbahrung vorbereiten können.

„Oft hören wir den Ratschlag, als Angehöriger auf die offene Abschiednahme zu verzichten und lieber den Verstorbenen so in Erinnerung zu behalten, wie er im Leben war“, sagte Vieweg. „Das kann zu unüberwindbaren Trauerbarrieren führen.“  (epd)