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Noch immer Litauen

Die litauische Frage: Ist ein Kompromiß möglich?  ■ K O M M E N T A R E

Im Verfassungskonflikt zwischen Litauen und der Sowjetunion deutet sich eine mögliche Regelung an. Romualdas Ozolas, stellvertretender Ministerpräsident Litauens und Leiter der Deputiertengruppe des Obersten Sowjets dieser Republik, zeigte sich von den Gesprächen mit dem Mitglied des Präsidialrates der UdSSR, Alexander Jakowles, angetan.

„Es war ein wohlwollender und konstruktiver Dialog, der uns hoffen läßt, daß wir bei einem solchen Herangehen eine Lösung finden“, sagte er mir. Er meinte, daß die litauischen Politiker nun Stoff zum Nachdenken haben.

Gewiß werden die Ergebnisse von Ozolas‘ Moskaureise Gegenstand von Beratungen in der litauischen Führung und im Obersten Sowjet der Republik sein. Voraussichtlich beendet das litauische Parlament am Sonnabend die Diskussion über den Appell des sowjetischen Präsidenten, Michail Gorbatschow, und beschließt eine Antwort. Nach Ozolas‘ Ansicht wird dieses Dokument „eine Etappe abstecken“.

Es gibt allen Grund zur Annahme, daß man den Ergebnissen der Ozolasreise auch in Vilnius große Bedeutung beigemessen wird. Dort hatte man den Beschluß gefaßt, eine von „Sajudis“ für den Mittwoch einberufene Großkundgebung zur Botschaft Gorbatschows auf den Sonnabend zu verschieben. Offenbar will man den Parlamentsbeschluß über das Antwortdokument abwarten.

Indessen nimmt in Litauen allem Anschein nach der politische Kampf an Stärke zu. Die populärste Republikszeitung „Lietuvos Ritas“ betont: „Die Beschlüsse vom 11. März sind nicht lebensfähig. Sie wecken nur Euphorie. Wo bleibt aber die Umsicht, die Entschlossenheit des Parlaments?“ Der radikale Flügel des Parlaments, wo sich nach den Worten eines Deputierten „einige Erwachsene, solide Menschen wie politische Säuglinge benehmen“, in der Bewegung, die zumeist von Parteilosen getragen wird, strengste Parteidisziplin einführten und in der Diskussion sowie bei den Beschlüssen den Ton angeben, sieht sich immer härterer Kritik ausgesetzt.

Ozolas stellte fest, daß der Oberste Sowjet Litauens nun „an die verschiedenen Probleme differenziert herangeht, damit die Fragen exakter definiert und die öffentliche Meinung genauer widergibt.“

Im Strom der Briefe, die nach Michail Gorbatschows Appell an das litauische Volk eintreffen, überwiegen nach Meldungen aus Vilnius Stimmen der Unterstützung.

Igor Sedych

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