Nobels Kriterien für Friedenspreis: Al Gore nicht nobelpreiswürdig
Scharf kritisiert ein neues Buch den "erweiterten Friedensbegriff" des Nobelkomitees. Weder Wohltäterin Mutter Teresa noch Klimamahner Al Gore hätten den Preis verdient.
STOCKHOLM taz Das norwegische Nobelkomitee verteilt "ungesetzliche" Friedensnobelpreise. Die meisten, die diesen Preis seit Ende des Zweiten Weltkriegs erhalten haben, hätten ihn nicht bekommen dürfen. Diese PreisträgerInnen erfüllten nämlich nicht die rechtlich bindenden Kriterien, die der Stifter Alfred Nobel in seinem Testament festgelegt habe. Dies behauptet der norwegische Rechtsanwalt und Schriftsteller Frederik S. Heffermehl in dem am Montag erschienenen Buch "Nobels vilje" ("Nobels Wille"), das in Norwegen großes Aufsehen erregte. Der diesjährige Friedensnobelpreis wird am Freitag vergeben.
Nobels Testament sei so formuliert, sagt Heffermehl, dass der Preis nur an Personen vergeben werden kann, die einen aktiven und zielgerichteten Einsatz gegen Krieg und Militarismus geleistet hätten. Das norwegische Parlament, das das Mandat auf ein Komitee übertragen habe, sei verpflichtet, dies zu berücksichtigen. Doch die Vergabepraxis habe sich immer mehr von diesem antimilitaristischen Ausgangspunkt fortbewegt.
Vor allem seit Ende des Zweiten Weltkriegs habe sich das Komitee stetig größere Freiheiten genommen. "Sie haben den Wortlaut des Testaments vergessen", sagt Heffermehl. Beispielsweise habe 1953 George Marshall, Generalstabschef des US-Heers während des gesamten Zweiten Weltkriegs, den Preis erhalten. Mit Preisträgern wie Mutter Teresa, Shirin Ebadi, Al Gore oder Mohammed Yunus sei gegen die Intention von Nobel massiv verstoßen worden, meint Heffermehl. "Der Friedensnobelpreis wurde der des Nobelkomitees und nicht mehr der von Nobel."
Heffermehl ist Partei. Er ist Ehrenpräsident des norwegischen "Friedensrats" und war Vizevorsitzender des 1910 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten International Peace Bureau (IPB). "Aber was seine Auslegung des Testaments von Alfred Nobel angeht, hat er recht", sagt Ståle Eskeland, Juraprofessor an der Universität Oslo. "Die Friedenspreise, die auf dem erweiterten Friedensbegriff aufbauen und im Prinzip alles, was gut für die Menschheit ist, auch als Beitrag für den Frieden sehen, legen das Testament falsch aus und sind ungesetzlich." Eine solche erweiterte Auslegung wäre nur zulässig, wenn es keinen Krieg und keinen preiswürdigen Kampf dagegen mehr geben würde. Heffermehl fordert nun eine Änderung der Vergabepraxis. Geir Lundestad, Sekretär des Nobelkomitees in Oslo, wollte das am Montag nicht kommentieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe