Nobelpreisträger-Treffen: Geballte Intelligenz in Lindau
Weltweit anerkannte Grundlagenforscher sind im direkten Gespräch „mit der nächsten Generation“. KI verändert die Zukunft der Wissenschaft gewaltig.
Für die meisten der jungen Wissenschaftler war in dieser Woche die Fahrt an den Bodensee wohl der erste Höhepunkt ihrer beginnenden Forscherlaufbahn. Beim legendären frühsommerlichen Treffen der Nobelpreisträger konnten sich mehr als 600 von ihnen mit 33 der höchst dekorierten Koryphäen ihres Fachs, in diesem Fall der Chemie, intensiv austauschen. Die „geballte Intelligenz“ der Welt zu Gast in Lindau, schrieb die Presse. Zugleich ein Generationentreffen der besonderen Art: weltweit anerkannte Grundlagenforscher im direkten Gespräch „mit der nächsten Generation an hoch motivierten Nachwuchswissenschaftlern“, so die Veranstalter zum 74. Nobelpreisträgertreffen. Größter Geldgeber ist das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR).
Am ersten Konferenztag schilderte der Überraschungsnobelpreisträger des Vorjahres, John Jumper von der Google-Tochter Deep Mind, wie es ihm mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) gelungen war, eine Software für die präzise Vorhersage von Proteinstrukturen zu schaffen. Am Folgetag trat in Lindau erstmals der deutsch-amerikanische Biochemiker Thomas Südhof auf. Der Medizinnobelpreisträger von 2013 gab einen Einblick, wie schnell Fehler in der wissenschaftlichen Forschung entstehen und wie dem entgegengewirkt werden kann.
KI beschleunigt die Entwicklung in Bereichen wie Wirkstoffforschung, CO2-Abscheidung, Moleküldesign und Massenspektrometrie. Diese Themen standen im Mittelpunkt der Tagung und wurden als zentrale Zukunftstreiber für die Chemie hervorgehoben. Auch die Rolle nachhaltiger und kreislauffähiger Chemie für eine zukunftsfähige Gesellschaft wurde intensiv diskutiert. Dazu zählen unter anderem neue Materialien, die sich besser recyceln lassen, und Innovationen für nachhaltige Energiespeicherung wie Lithium-Ionen-Batterien. Neben den rein naturwissenschaftlichen Themen wurde auch die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit und freier Wissenschaft für den Fortschritt betont.
Die Lindauer Nobelpreisträgertagungen finden jährlich statt. Dabei wechseln die disziplinären Schwerpunkte zwischen Physik, Chemie und Medizin. Alle drei Jahre versammelt zusätzlich die Lindauer Tagung für Wirtschaftswissenschaften junge Ökonomen und Preisträger, in diesem Jahr vom 26. bis zum 30. August.
Bundesforschungsministerin Dorothee Bär ließ in ihrer Begrüßung durchblicken, welche Rolle die Chemie in der neuen Hightechagenda spielen kann. So erwähnte sie Forschungsanstrengungen zum Kfz-Recycling, den Aufbau des „Center for the Transformation of Chemistry“ (CTC) in Delitzsch, das eine „grüne Chemie“ realisieren will, sowie Fortschritte in der Batterie-Entwicklung.
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